Sechs, Sieben, Cache! | Ein Hildesheim-Krimi
Innenstadt schlendern. Vom Marktplatz floss ein Bächlein die Fußgängerzone hinunter. Sie beschloss, dem Wasser zu folgen, und entdeckte bereits nach wenigen Metern eine italienische Eisdiele.
Sie gönnte sich einen Eiskaffee und las in einer der ausliegenden Zeitschriften.
Es war gar nicht so einfach, so viel Zeit in diesem Städtchen zu verbringen, wenn man nichts zu erledigen hatte. Das Stadt- und Tiermuseum in der alten Lateinschule war montags geschlossen. Den Fillerturm konnte man nur nach Vereinbarung besuchen. Das Planetenhaus wirkte zwar von außen äußerst ansprechend, stand jedoch leer.
Sie hätte noch zum Fagus-Werk spazieren können, kam aber nur bis zur Leinebrücke. Es sah furchtbar weit aus, und ihr taten die Füße weh.
Deshalb suchte sie sich im Café Biel einen Platz am Fenster. Sie bestellte einen Tee und ein Käsebrötchen.
Endlich war es an der Zeit aufzubrechen.
Corinna spürte, wie ihr Herz Synkopen schlug, als sie auf den Hof fuhr und Thomas Steinwands Auto unter dem Schauer entdeckte. Hoffentlich war er nicht zu Fuß im Dorf unterwegs. Sie stieg aus und schlenderte, noch ein wenig unentschlossen, auf seine Haustür zu. Sie war nur angelehnt. Steinwand stand irgendwo dahinter und unterhielt sich.
Corinna konnte ihn laut und deutlich sprechen hören, doch die Reaktionen seines Gesprächspartners verstand sie nicht. Plötzlich begriff sie. Er telefonierte.
„Selbstverständlich, wie immer, ich komme so schnell vorbei wie ich kann.“
…
„Nein, nein, es macht keine Mühe“, sagten seine Worte, doch seine Stimme drückte Müdigkeit aus. Und noch etwas. Unterdrückte Wut?
Corinna wollte von der Tür wegtreten. Es gehörte sich nicht, andere zu belauschen. Andererseits …
„Ja, bitte veranlassen Sie die Reparatur. Ich werde gleich nachher noch einmal mit ihr sprechen. Nein, bitte, ich möchte nicht, dass sie sie beschränken. Das tut ihr nicht gut. … Ja, okay, …“
Das klang ganz nach dem Ende des Gesprächs. Corinna wich einige Schritte zurück und ging dann schwungvoll auf das Haus zu, sodass sie deutliche Geräusche machte.
Er kam ihr entgegen, bevor sie die Tür erreicht hatte.
Zuerst konnte sie in seinem Gesicht gar nichts lesen, doch dann breitete sich um seine Augen ein zartes Lächeln aus. „Frau Schwartz! Was verschafft mir die Ehre? Hat die Polizei etwas herausgefunden?“
„Ich denke, so schnell wird es keine Ergebnisse geben. Ich wollte nur prüfen, ob bei Ihnen alles in Ordnung ist.“
Er lachte, allerdings erreichte es diesmal nicht seine Augen. „Alles in Ordnung ist in meinem Leben schon lange nichts mehr.“
Corinna fand, dass er sie endlich hereinbitten könnte. Wie lange wollte er sie noch vor der Tür stehen lassen?
Er schien ihren Wunsch erraten zu haben, denn er sagte: „Ich kann Sie leider nicht hereinbitten. Gerade eben erhielt ich einen Anruf, mit dem man mich nach Winzenburg ins Heim gebeten hat.“
„Oh, ich will sie nicht aufhalten, wenn Sie zu Ihrer Schwester müssen.“
„Das bin ich ihr schuldig.“ Thomas legte ihr den Arm auf die Schulter. „Meine Eltern leben beide nicht mehr. Mein Vater hatte einen Herzinfarkt, mitten in der Nacht, er ist abends zu Bett gegangen und am nächsten Morgen nicht aufgewacht. Meine Mutter hat sich nie verziehen, dass sie seelenruhig neben ihm geschlafen hat, während er mit dem Tod gekämpft hat. Ihre Ausdrucksweise, nicht meine.“
„Das tut mir leid.“
„Muss es nicht. Damals war ich erleichtert, nach dem ersten Schrecken versteht sich. Endlich konnte ich das Geschäft übernehmen, konnte modernisieren, erweitern, umbauen.“
Corinna wappnete sich innerlich für das Desaster, das nun folgen würde, für die übliche Überheblichkeit, die der Firma den Garaus machte.
„Zuerst lief alles wie geplant. Meine Entwürfe fanden Anklang. Ich ergatterte lukrative Aufträge, erarbeitete mir einen Namen. Nach etwa drei Jahren erfuhren wir, dass meine Mutter an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt war. Die Ärzte gaben ihr nur wenige Monate.“
„Wie schrecklich. Das warf Sie natürlich zurück.“ Corinna hatte nicht wirklich Lust, sich diese traurige Geschichte anzuhören.
„Sofort erklärte sich meine jüngere Schwester Theresa einverstanden, unsere Mutter zu pflegen. Im Gegenzug sollte ich ihr ermöglichen, sich selbstständig zu machen, wenn, na ja, sobald alles vorbei ist.“
„Welche Ausbildung hat Ihre Schwester?“
„Sie hat Industriemechanikerin gelernt und sich in diese
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