Sechseckwelt 01 - Die Sechseck-Welt
den anderen, es genauso zu machen«, sagte sie. »Ich weiß nicht, wie es im Inneren aussieht, aber es wäre möglich, daß wir für ein paar Stunden die Luft in den Tanks noch brauchen. Wenn der Mechanismus autonom ist, befindet er sich vielleicht in einem Vakuum.«
»Daran habe ich gedacht«, sagte Der Rel. »Ich kann auch nicht im Vakuum existieren – Der Erahner braucht Neon und Argon, und ich Xenon und Krypton, und davon hat es zum Glück in allen Sechsecken Spuren gegeben. Wir hatten Wochen Zeit, uns auf die Expedition vorzubereiten, und ich rechne damit, daß wir jetzt auf Vakuum stoßen werden – und da nutzen die kleinen Atemgeräte gar nichts. Im Gepäck befinden sich für alle von uns Druckanzüge.«
»Warum haben wir sie in dem Höllenloch hiner uns dann nicht benutzt?« fragte Hain empört.
»Das war ein Hex mit scharfen Kanten und Schmirgelstoffen, in dem die Anzüge hätten beschädigt werden können«, erwiderte Der Rel. »Es war unbehaglich, mehr nicht.«
»Wie ist es hier überhaupt?« fragte Skander. »Gibt es irgendeinen schattigen Fluß, wo ich mich anfeuchten kann?«
»Sie werden überleben«, sagte Der Rel. »Wir kümmern uns um Sie, sobald wir etwas Geeignetes finden.«
Von Blume zu Blume surrten große Insekten, aber sie gingen ganz individuell vor, nicht als Schwarm. Sie waren ungefähr fünfzig Zentimeter lang und pelzig, schwarz mit orangeroten und gelben Streifen am Hinterleib.
»Wie schön«, sagte Vardia.
»Verdammt laut, wenn Sie mich fragen«, schrie Skander, um das ohrenbetäubende Surren zu übertönen.
»Sind die Insekten die Lebensform?« fragte Hain.
»Nein«, antwortete Der Rel. »Es soll sich um eine Art Symbiose handeln. Die Pflanzen sind sie. Ihre Samen werden von den Insekten vergraben, und wenn alles gutgeht, entwickelt sich daraus der Hirnschädel. Dann bildet sich der Stengel und die Blume.«
»Dann kann ich vielleicht ein paar von den Heulern essen«, sagte Hain eifrig.
»Nein, noch nicht. Die Blumen lassen Samenkörner fallen, vermehren sich also nicht durch Bestäubung. Die Bienen vergraben den Samen, aber ihre Nahrung gewinnen sie wohl aus dem Inneren der Blüten. Wenn die Blumen sie ernähren, müssen sie für sie wohl etwas tun.«
»Sie können sich nicht entwurzeln«, sagte Vardia mitfühlend. »Was hat es für einen Zweck, ein Gehirn zu besitzen, wenn man nicht sehen, hören, fühlen oder sich bewegen kann? Was für eine dominierende Lebensform soll das sein?«
Eine Kom-Welt in Vollendung, dachte Skander ironisch, aber laut sagte sie: »Ich glaube, das übernehmen die Insekten. Wenn man lange genug aufpaßt, sieht man, daß sie zu einer Blume fliegen und von einer anderen zu ihr zurückkehren. Sie suchen Dutzende von Blumen auf, kehren aber dazwischen immer wieder zur selben zurück.«
Vardia bemerkte eine kleine Erhöhung im Gras, ging hin und scharrte im Boden.
»Da!« rief sie. Die anderen kamen alle heran. »Ein Samenkorn. Und seht, außen ist ein Ei befestigt. Jedes Insekt befestigt an jedem Samenkorn ein Ei, bevor es vergraben wird. Der Samen wächst über das Ei.«
»Natürlich«, sagte Skander. »Erstaunlich.«
»Was?« fragten sie alle gleichzeitig.
»So verständigen sie sich miteinander – so kommen sie herum, versteht ihr? Das Insekt ist wie ein Roboter mit programmiertem Gehirn. Sie wachsen miteinander auf – ich wette, daß das Insekt voll ausgebildet ausschlüpft und, wenn die Blume sich öffnet, auf der Stelle fliegen kann. Was es sieht, hört und berührt, wird bei der Rückkehr der Blume vermittelt. Nach einer Weile können sie die Wesen gewiß mit Botschaften fortschicken und miteinander reden. Und jedesmal, wenn das Insekt eine andere Blume erreicht, geben die Alterfahrenen Informationen mit. Die Wesen leben, aber aus zweiter Hand, sozusagen durch Aufzeichnungen.«
»Klingt logisch«, räumte Der Rel ein. »Hain, ich schlage vor, daß Sie alles andere essen, nur nicht diese Blumen und die schwarzen, gestreiften Insekten. Ich möchte keinen Ärger haben.«
»Gut«, sagte Hain mürrisch. »Aber wenn es nichts anderes gibt, halte ich mich nicht zurück.«
In diesem Augenblick kam eines der großen Insekten herangeflogen und verscharrte Samenkorn und Ei wieder. Es schwirrte zu einer der Blumen zurück, steckte den Kopf hinein, kam heraus, flog auf sie zu und surrte drohend vor ihnen hin und her. Als es Vardia erreichte, umschwirrte es sie, sprang plötzlich auf ihren Kopf und stieß den scharfen, spitzen Rüssel unter dem
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