Sechseckwelt 01 - Die Sechseck-Welt
Blattgewächs hinein. Sie waren alle zu verblüfft, um auf der Stelle reagieren zu können. Plötzlich sagte Hain: »Laßt mich mal.«
»Nein!« schrie Skander. »Sie lassen das Ding vielleicht in ihr stecken. Warten Sie noch, bis wir wissen, was geschieht.«
Vardia hatte keine Schmerzzentren, aber empfindliche Nerven, und diese spürten, wie das Ding eindrang und umhertastete, bis es eine bestimmte Art von Nerven entdeckte, die Informationen zu Kopf und Gehirn übermittelten und von dort aus weitergaben.
Ganz plötzlich wurde alles dunkel, und eine seltsame Stimme, wie ihr eigenes Denken, nur kraftvoller, sagte: »Wer und was seid ihr, und was macht ihr hier?«
Sie kam auf keinen anderen Gedanken, als zu antworten. Der Einfluß des fremden Denkens war so stark, daß es sie beinahe hypnotisierte.
»Wir ziehen nur durch euer Hex, auf dem Weg zum Äquator.«
Sie spürte, wie der spitze Rüssel sich zurückzog und es wieder hell wurde. Sie hatte wieder Gewalt über sich und sah das Wesen blitzschnell davonfliegen.
»Va – Chon«, verbesserte sich Skander sofort. »Was ist geschehen?«
»Es… es hat zu mir gesprochen. Es fragte, wer wir seien, und ich sagte, wir wären nur unterwegs zum Äquator. Ist das Wesen stark! Ich hatte das seltsame Gefühl, daß ich alles beantworten müßte, was es fragen würde – und tun, was es verlangte.«
Der Rel schwebte herüber und untersuchte ihren Kopf. Vardia spürte ein seltsames Prickeln.
Der Erahner und Der Rel schienen zufrieden zu sein und entfernten sich wieder.
»Von einer Wunde ist nichts zu sehen«, sagte das Wesen. »Erstaunlich. Eine der Blumen wurde neugierig, und da Sie das einzige Geschöpf der Pflanzenwelt hier sind, suchte sie sich Sie aus. Bleiben Sie ruhig und lassen Sie es noch einmal kommen. Versichern Sie den Wesen, daß wir nichts Böses im Sinn haben und so schnell wie möglich hindurchziehen. Wir halten uns an die Küste und werden sehr vorsichtig sein.«
»Ich glaube nicht, daß ich ihnen etwas sagen kann, was sie nicht fragen«, erwiderte Vardia schwach. »Oh, da kommt es wieder!«
Das Wesen brauchte beim zweitenmal nicht zu stechen und herumzutasten; es nahm sofort den Kontakt mit den richtigen Nerven auf.
»AUSGABE!« kam das Kommando, und plötzlich fühlte Vardia sich entleert, als würde durch einen Strohhalm ihr Innerstes in eine Flasche abgesaugt. Der Prozeß dauerte mehrere Minuten.
»Seht!« rief Skander. »Mein Gott! Sie ist verwurzelt! Regungslos am hellen Tag! Was hat das bewirkt?«
Das Insekt flog zu dem Blumenmeer zurück.
»Wir können nichts tun als warten«, meinte Der Rel vorsichtig. »Wir kennen die Regeln hier nicht. Die Insekten scheinen wenigstens nur auf Pflanzen beherrschend zu wirken. Warten wir ab.«
Sie warteten, und es dauerte Stunden.
Vardia fühlte sich in einem Zwischenreich, unfähig zu sehen, zu hören, zu fühlen. Es war aber nicht wie Schlaf – sie wußte, daß sie existierte, nur nicht, wo.
Plötzlich kam das saugende Gefühl wieder, und sie nahm etwas anderes wahr. Sie begriff nicht, woher sie es wußte, aber da war noch etwas.
»ICH VERSCHMELZE, WAS DEIN IST, MIT MIR, UND WAS ICH BIN, MIT DIR«, sagte die Stimme, die reines Denken war, und es geschah so.
In Vardias Gehirn gab es eine Explosion, und sie klammerte sich verzweifelt an ihre Persönlichkeit, ihr Wesen, während sie noch spürte, wie es zerrann, sich mit einer viel größeren und mächtigeren, aber fremdartigen Gesamtheit von Gedanken, Erinnerungen, Bildern und Ideen vermischte.
Warum wehrst du dich? fragte eine Stimme, die ihre eigenen Gedanken hervorgebracht haben mochten, oder fremde. Unterwirf dich. Das ist es, was du immer gewünscht hast. Völlige Vereinigung in Gleichförmigkeit. Unterwirf dich.
Die Logik war unangreifbar. Sie unterwarf sich.
»Es kommt zurück!« schrie Skander, und die beiden anderen sahen mit ihr, wie das Insekt zu Vardias Kopf flog und seinen Rüssel in ihren Kopf bohrte. Diesmal blieb es viel länger, drei- oder viermal so lange wie vorher. Schließlich zog es sich zurück und surrte zu seiner Mutterblume. Sie sahen, wie Vardia ins Leben zurückkehrte, die Augen bewegte, sich umschaute. Sie zog ihre Wurzeln ein, schüttelte die Beine.
»Chon! Alles in Ordnung?« rief Skander sorgenvoll.
»Es geht uns gut, Dr. Skander«, erwiderte Vardia mit einer Stimme, die ihre eigene, aber seltsam anders war. »Wir können jetzt ohne Probleme weiterziehen.«
Die Lichter Des Erahners zuckten
Weitere Kostenlose Bücher