Sechseckwelt 02 - Exil Sechseck-Welt
V-förmig in der Mitte seiner Stirn, dann breitete es sich auf beiden Seiten der Hörner aus.
Hörner?
Ja, da waren sie. Knochig, nicht lang, aber scharf und eindeutig Bestandteil seines Schädels.
Ein eher dreieckiges Gesicht, das in einem spitzen, dichten Kinnbart endete.
Also gut, Renard, denk logisch, sagte er sich. Aber es war nutzlos. Von Logik war hier nichts zu spüren.
Egal, wie die Dinge auch stehen mochten, das beste war es wohl, jemanden zu finden und ihn zu fragen. Dort in der Ferne war die Stadt.
Er kroch auf Händen und Knien zu einem kleinen Baum und zog sich daran hoch. Er war oben ziemlich schwer, aber mit einiger Übung mußte es ihm gelingen, sich aufrecht zu halten. Er übte eine halbe Stunde lang und schaffte es. Er entdeckte auch, daß der Schwanz einziehbar war, so daß er beim Sitzen keine Unbehaglichkeit mehr auf sich nehmen mußte.
Das Gehen fiel jedoch schwerer. Nachdem er wiederholt hingefallen war, kroch er zum Baum zurück, stand auf und beschloß, sich anzustrengen. Er ließ den Baum los und lief einfach davon. Zu seiner Überraschung blieb er auf den Beinen. Erst als er stehenblieb, fiel er beinahe wieder um. Übungssache.
Die Sechseckwelt verlieh jedem die Fähigkeit, sich an die neue Gestalt zu gewöhnen, auch wenn Renard das noch nicht wußte. Im Laufe des Nachmittags erwarb er sie sich schneller, als man hätte annehmen können. Er kam dahinter, daß es um so besser ging, je schneller er lief.
Er erreichte eine Hauptstraße, bevor er sich umsah. Was für eine Straße! Eigentlich eine Fernstraße, zwar ohne Fahrzeuge, aber mit vielen Leuten.
Und die Straße bewegte sich.
Es war ein gewaltiges Laufband, und die Leute, die sich an Geländern festhielten, die mitliefen, waren auf zehn Spuren in beiden Richtungen unterwegs. Die beiden mittleren Bahnen waren für Handelsverkehr reserviert; große, kistenartige Behälter mit sonderbaren Symbolen und manchmal graphischen Darstellungen fuhren dort dahin, und er fragte sich, wie man sie herunterholte.
Zwei andere Dinge fielen ihm sofort auf. Das eine war, daß die Leute bekleidet waren, was ihn in Schwierigkeiten brachte. Die Männer trugen Hemden und manchmal leichte Jacken sowie kurze Hosen für die untere Hälfte. Die Frauen – nun, das war eine andere Sache. Er hatte so etwas noch nicht erlebt.
Alle blauhäutig, sahen sie von den Hüften abwärts etwa menschlich aus. Oh, sie hatten auch die kleinen Schwänze, und ihre Füße schienen etwas breiter zu sein als bei Menschen, aber die Ähnlichkeit war groß. Sie trugen zumeist Hosen und Sandalen. Aber von den Hüften aufwärts waren sie Ziegen.
Nun, nicht direkt, entschied er. Der Kopf war von runddreieckiger Form mit einem langen Unterkiefer, die Nasen waren schwarz und befanden sich am Ende des Oberkiefers. Ihre Ohren waren so spitz wie die seinen, ihre Hörner kurz und abgerundeter als die der Männer. Auf dem ganzen Oberkörper sah man das dicke, wollige, blaue Haar, das ihn von den Hüften abwärts bedeckte; die Arme der Frauen sahen aus wie Vorderbeine von Ziegen, liefen aber in lange, dünne, zerbrechlich aussehende Hände aus.
Sie besaßen alle, was sehr große menschliche Brüste zu sein schienen, fast gigantische, und bedeckt entweder mit bunten Büstenhaltern oder verschnürten Oberteilen. Und er spürte erotische Empfindungen, wenn er sie ansah. Nicht nur beim Anblick der Brüste, sondern im allgemeinen. Das verblüffte ihn. Er begann zu begreifen, wie vollständig er sich in dieses andere Wesen verwandelt hatte.
Der Mangel an Kleidung beunruhigte ihn an meisten; offenkundig würde er Aufsehen erregen, wenn er auf die Gleitstraße trat. Nirgends war zu erkennen, daß man Nacktheit für normal hielt.
Er setzte sich zwischen Obstbäume, um nachzudenken. Er hatte Hunger; wenn er hier warten wollte, bis es dunkel wurde, brauchte er etwas zu essen. Er betrachtete die großen, orangeroten, flaumigen Kugeln an den Büschen, faßte einen Entschluß und pflückte eine Frucht.
Es knisterte und knallte, und er spürte in sich, wie etwas freigesetzt wurde, das in seine Hand zu strömen schien. Die Frucht knisterte; sie war plötzlich gekocht und sehr heiß. Er ließ sie erschrocken fallen. Er spürte ein Brennen in der Hand.
Was noch alles? dachte er verblüfft.
Er griff nach einer zweiten Frucht, um sie abzureißen. Wieder spürte er die Empfindung in sich und kämpfte dagegen an. Sie schien sich zu legen und zu ersterben. Er aß die Frucht. Sie schmeckte gut.
Er
Weitere Kostenlose Bücher