Sechseckwelt 02 - Exil Sechseck-Welt
und sie waren wahrhaftig prachtvoll. Es gab sie in allen Farben – braun, weiß, rosarot, blau, grün.
Und sie flogen – machtvoll, anmutig, mit einem Agitar im Sattel, die Beine waren angeschnallt. Die Tiere waren ein wenig zerbrechlich, weil sie hohle Knochen besaßen, und er begriff nie ganz, warum sie fliegen konnten, aber sie taten es, und das genügte. Sie waren auch viel klüger als Pferde. Sie reagierten auf mündliche Befehle, kleine Anstöße, Zerren am Zügel – und sie waren leicht zu dressieren, infolge der Tatsache, daß ihre Reiter sie jederzeit elektrisieren konnten.
Er bekam sofort ein solches Wesen zugeteilt. Ein wunderschönes, intelligentes Tier von grüner Farbe. Als er das erstemal flog, hatte er vor sich einen Ausbilder und alle möglichen Instrumente. Die Tiere waren jedoch leicht zu fliegen, und am dritten Tag vollführte Renard auf Doma, wie das Pferd hieß, Loopings und wirbelnde Bewegungen, als hätte er nie etwas anderes getan. Sie waren eine natürliche Paarung, Agitar und Pegasus, und verschmolzen gleichsam zu einem Organismus.
Und dazu kam der Taster. Es war ein Stahlstab, ungefähr drei Meter lang, mit Kupfer überzogen, oben mit einer Art Schwertknauf versehen. In der Hand eines männlichen Agitars stellte er einen elektrischen Leiter von hoher Wirksamkeit dar. Er war überdies dünn und für die muskulösen Arme leicht genug.
In einem nichttechnologischen Hexagon oder auch in anderen war der Taster eine ideale Nahkampfwaffe, wo man Pistole oder Gewehr nicht verwenden konnte oder wo solche Waffen nicht funktionierten.
Nach drei Wochen erklärte man seiner Klasse, eigentlich wären sie noch nicht soweit und brauchten noch einmal sechs Wochen, aber die Ausbildung sei beendet. Sie würden in den Krieg ziehen müssen.
Renard hatte eine Entscheidung gefällt – schon lange vorher, als er nämlich von Trelig erfahren hatte.
Er gedachte nicht, in Treligs Diensten zu sterben.
Lata
Eine weitere schwindelerregende Fahrt auf den Krommiern hatte Mavra Tschang nach Lata selbst geführt.
Es war ein lebendig gewordenes Märchenland. Die Lata hatten keine Städte als solche; sie lebten auf bewaldeten Hügeln und in Waldlichtungen. Kleine Ladenansammlungen ermöglichten den notwendigen Handel und sorgten für Dienstleistungen, und es gab eine Reihe von Universitäten und Forschungsstätten sowie Institute für Kunsthandwerker.
Die Lata waren von Natur aus eine künstlerisch begabte Rasse und zugleich auch die einzige asexuelle zweigeschlechtliche Rasse, die Mavra je gesehen hatte. Abgesehen von den Farben, sahen sie für sie alle gleich aus; alle schienen einen Meter große Mädchen von neun oder zehn Jahren zu sein, alle im Besitze musikalischer Glockenstimmen. Es war ein merkwürdiges Gefühl für sie, die in einer Welt von Riesen immer so klein gewesen war, plötzlich weit und breit die größte Person zu sein.
Sie wurden alle ohne Geschlecht geboren; nach fünfzehn oder zwanzig Jahren reiften sie zu biologischen Frauen heran, jede fähig, ein einziges Ei zu legen, das sich innerhalb weniger Tage selbst ausbrütete. Im Verlauf von zwei Jahren verwandelten sie sich dann. Die weiblichen Organe verschwanden und machten männlichen Platz, und für den Rest ihres Lebens waren sie dann Männer.
Sie fragte Vistaru, warum es so viele Frauen gebe, wenn dem so sei. Diese hatte gelacht.
»Wenn man sich verwandelt, wird man älter«, hatte sie erwidert.
Mavra erfuhr schließlich, daß Frauen viel langsamer alterten als Männer; das holte einen natürlich früher oder später ein, aber die meisten schoben es hinaus, so lange sie konnten.
Deshalb schienen die Männer hier die Führenden zu sein. Sie waren älter und hatten mehr Erfahrung.
Die Stacheln, die wirklich töten konnten – sie beschrieben den Gifterzeugungsprozeß als etwas Orgasmusähnliches –, waren ihre stärkste Waffe gegen Nachbarn, die in den winzigen, schwachen Geschöpfen leichte Beute zu erkennen vermeinten. Das Gift lähmte, je nach Größe und Gewicht des Opfers, für lange Zeit, und bei einer sehr großen Menge konnte es töten. Kaum ein Dutzend Rassen hatten sich dagegen als immun erwiesen, und die Lata hatten ihre Stärke schon lange nicht mehr unter Beweis stellen müssen.
Mavra bekam neue Kleidung, man reinigte ihren Gürtel, bestaunte die vielen Fächer und Gerätschaften, gab ihr neue Stiefel, schnitt, kämmte und frisierte ihr Haar. Das Gift in ihren Fingernägeln faszinierte sie, und als sie es auf Wunsch
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