Sechseckwelt 03 - Entscheidung in der Sechseck-Welt
worden war, hatte sie mehr Erscheinungsformen angenommen als irgend jemand anderer auf der Sechseck-Welt.
Was immer sie sein mochte, sie hatte eine ziemlich lange Schnauze. Ihre Augen lagen weit zurück und ließen das deutlich erkennen. Sie versuchte sich zu bewegen und stellte fest, daß ihre vier Beine angekettet waren.
Ein Geräusch in der Nähe erregte ihre Aufmerksamkeit. Als sie den Kopf drehte, sah sie ein kleines Pferd, etwa so groß wie ein Shetland-Pony, von goldener Farbe, mit breiten, dicken, kraftvollen Beinen und Hufen. Das Tier hatte eine dichte Mähne, und zwischen den Ohren hing dichtes, gewelltes Haar bis fast zu den Augen herab.
»Joshi?« sagte sie zu sich selbst, aber sie sagte es laut.
Das andere Wesen regte sich.
»Mavra?« fragte eine seltsame, elektronisch-sonore Stimme.
»Joshi! Wir können wieder sprechen!« rief sie aufgeregt.
Er sah sie mit seinem Pferdekopf an.
»Jetzt sind wir also sprechende Pferde, wie?« sagte er mürrisch. »Was kommt danach? Schmeißfliegen?«
»Ach, hör doch auf«, meinte sie. »Wir sind nicht schlechter dran als vorher. Wir sind am Leben, wir sind gesund, wir sind zusammen.«
Das letzte schien ihm zu gefallen. Es war das erstemal, daß sie so etwas zu ihm gesagt hatte.
»Gut, gut«, gab er zurück. »Wer hat uns jetzt in der Hand? Das Ding auf dem Pferd oder der Schmetterling?«
Sie schaute sich um.
»Ganz sicher der Schmetterling. Warum und wozu, weiß ich noch nicht, aber wir werden es sicher bald erfahren.«
Sie unterhielten sich, mehr aus der Freude heraus, wieder dazu fähig zu sein, als zu einem bestimmten Zweck. Sie waren beide nicht in der Lage gewesen, zu erkennen, wie sehr ihre Isolierung sie beeinträchtigt hatte.
Nach etwa einer halben Stunde glitt summend eine Tür zur Seite. Eine Yaxa kam herein. Sie sah in Schwarzweiß nicht weniger bedrohlich aus als vorher in Farbe.
»Ich stelle fest, Sie sind wach«, sagte sie kalt. »Ich bin Wooly. Sie wissen, wer Sie sind, und ich weiß es auch.«
»Was wird hier gespielt?« fragte Mavra scharf.
Woolys Totenkopf starrte sie an.
»Möchten Sie nach Neu-Pompeii zurück?« fragte sie.
Mavra stockte der Atem. Neu-Pompeii! Der Weltraum! Die Sterne! »Aber…… als Pferd bin ich eine tolle Pilotin!« ergänzte sie sarkastisch.
Woply zeigte keine Reaktion.
»Wir brauchen Sie nicht als Pilotin, allenfalls als Ersatzperson. Erinnern Sie sich an Ben Yulin?«
Mavra dachte kurz nach. Sie hatte von Yulin, dem jungen Wissenschaftler an Treligs Testkonsolen, wenig gesehen. Sie sah nicht einmal sein Bild vor sich. Sie hatte nur mit Trelig zu tun gehabt, nicht mit Yulin.
»Undeutlich«, erwiderte sie. »Ein Wissenschaftler, der für Trelig tätig war. Und? Ich weiß, ihr habt euch auf ihn verlassen, um nach den Kriegen vor über zwanzig Jahren nach Neu-Pompeii zu kommen. Das hat nicht geklappt, wie?«
Wooly ging nicht darauf ein.
»Wir haben Yulin, wir können in den Norden gelangen, wir können Neu-Pompeii erreichen, aber es wird nicht leicht sein. Sie sind unser Notsystem. Würden Sie einem ehemaligen Gehilfen von Antor Trelig trauen?«
Sie mußte zugeben, daß sie es nicht tun würde. Aber sie würde auch Mavra Tschang nicht trauen, die den Yaxa keine Treue schuldete.
»Es hat nicht vielmehr mit der Tatsache zu tun, daß Ortega mich nicht einsetzen kann, wenn ich bei euch bin?« fragte sie.
Die Fühler der Yaxa schwankten ein wenig.
»Das gehört mit dazu, ja. Wir könnten Sie aber auch töten, dann wäre das erledigt. Nein, wir brauchen Sie als Bremse gegenüber Yulin. Wir wollen noch jemanden haben, der Neu-Pompeii kennt, und wir brauchen jemanden, der dafür sorgen kann, daß er uns nicht hereinlegt. Die Geeignetste dazu, die wir finden können, sind Sie.«
»Aber warum Pferde?« warf Joshi gereizt ein.
»Verwandte von Pferden, ja«, sagte Wooly, »aber keine Pferde. Sie sind zum einen außerordentlich kräftig.«
»Damit wir helfen können, die Fracht zu schleppen«, erklärte Mavra. »Das ist mir klar.«
»Außerdem sind Ihre neuen Körper nicht strenge Pflanzenfresser. Ihre Gattung stammt aus Furgimos, einem Hex im Osten, und Sie können fast alles essen, wie vorher als Schweine. Sie vermögen sehr viel Wasser zu speichern. Zwei Wochen lang oder länger. Sie werden einsehen, daß die Reiseprobleme dadurch verringert werden.«
»Ich nehme an, wir haben einen weiten Weg vor uns, sobald wir im Norden sind«, sagte Mavra.
»Einen sehr langen. Zum einen können die erforderlichen
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