Sechseckwelt 04 - Rückkehr auf die Sechseck-Welt
nervös, unsicher, aber neugierig. Das war zu erwarten. Die Gemeinde des Heiligen Schachtes war hier noch immer neu und zog vor allem die Jungen an, stets die am leichtesten zu Beeindruckenden, die Armen, die Hungernden, die Verlierer. Die Heilige Priesterin würde das auch wissen und sich über die Neulinge und die nachgewiesene Tüchtigkeit von Mutter Sukras Organisation nach nur wenigen Monaten freuen.
Die Hohepriesterin war erfreut – und aufgeregt, obwohl sie davon in ihrer klassisch stoischen Art nichts merken ließ.
Die Lichter verlöschten; bewegende Musik, subtile, beruhigende Unterschalltöne, stimmten ein, und sanftes Licht umschmeichelte Podium und Zuschauer. Sie warf einen Blick auf Mutter Sukra, die sich ein letztesmal im Spiegel betrachtete, ihr langes, safrangelbes Gewand glättete und ihr langes, braunes Haar ordnete. Genau im richtigen Augenblick trat sie hinaus. Es gab kein Pult, keine Kanzel hoch oben; das hätte die von der Hohepriesterin erwartete Wirkung zerstört.
Auf dem nackten Podium wirkte Mutter Sukra schrecklich allein.
An den Wänden standen die Männer und Frauen in langen Gewändern, die Akoluthen, mit rasierten Köpfen, schlicht gekleidet, auf und verbeugten sich vor ihr. Ein Teil des Publikums folgte dem Beispiel, und bald danach standen fast alle. Jene, die sitzenblieben, waren ohnehin nicht diejenigen, zu denen sie sprechen würde. Später, dachte sie. Später würden alle bereitwillig kommen.
»Seid in Frieden!« verkündete Mutter Sukra und erhob ihre Arme zum Himmel.
»Friede den Wesen des Universums, gleichgültig, in welcher Form«, antworteten die Akoluthen und einige Zuschauer.
»An diesem Abend wird uns die Ehre zuteil, durch die Anwesenheit Ihrer Heiligkeit, der Priesterin Yua von der Mutterkirche, ausgezeichnet zu werden«, teilte Sukra überflüssigerweise mit. Die Neugier nach Yua erklärte die hohe Zahl der Anwesenden. Das Publikum bestand ausschließlich aus Menschen, auch etwas, womit zu rechnen gewesen war. Obwohl der Kom-Bund jetzt nicht weniger als sieben Rassen umfaßte, sah man nur drei oder vier davon in großen Städten auf den von Menschen bewohnten Welten und keine in den Tempeln, die sie als rassisch fremdenfeindlich betrachteten. Die Tempel standen zwar allen Rassen offen, aber die Lehre war keine von der Art, die Nichtmenschen etwas geboten hätte.
Es sei denn, man war ein Olympier.
Jedermann wußte Bescheid über die Olympier, aber gleichzeitig wußte niemand viel über sie. Nur wenige hatten jemals einen gesehen; sie waren schweigsam und blieben unter sich. Ihre Welt war eine, auf der niemand ohne Raumanzug leben konnte, aber die Olympier vermochten auf jeder menschlichen Welt zu leben. Sie betrieben ihre eigene Reederei und steuerten ihre eigenen Raumschiffe; der Handel wurde von einem Unternehmen in olympischer Hand mit menschlichem Personal betrieben.
Solche Bedingungen erzeugten bei den Leuten eine unersättliche Neugier, aber das war noch nicht alles. Es hieß, die Olympier seien unfaßbar schöne Frauen; noch keiner hatte einen Mann gesehen. Schöne Frauen mit Schwänzen wie Pferdeschweife, die, so hieß es, alle gleich aussähen.
Auf dieser Grenzerwelt wartete ein vollbesetztes Haus darauf, ein Wesen der Welt Olympus zu sehen, aus dem einfachen Grund, weil die Gemeinde des Schachtes auf Olympus entstanden war; der Muttertempel befand sich dort; und während Menschen die Gemeinde bildeten und Menschen die Tempel führten, konnten allein die Olympierinnen Hohepriesterinnen der Mutterkirche sein.
Endlich war Mutter Sukra fertig, und ihre Stimme nahm einen ehrfürchtigen Tonfall an.
»Heute abend, meine Kinder, haben wir die hohe Ehre, Ihre Heiligkeit, die Hohepriesterin unserer Gemeinde, Yua von Olympus, bei uns zu sehen.«
Die Zuschauer setzten sich erwartungsvoll auf, als Mutter Sukra davonging.
Yua wartete eine halbe Minute, um die Spannung zu steigern, dann schritt sie entschlossen hinaus. Die Lichter verdunkelten sich, und ein Scheinwerfer strahlte eine Stelle in der Mitte und ganz vorne an, eine gleißende Aura erzeugend, in der Yua noch übernatürlicher erschien.
Sie hörte das Flüstern. »Da ist sie!« »Das ist also eine Olympierin.« Sie trug einen Umhang aus feinster Seide oder einem entsprechenden Kunstfasergewebe, mit Blattgold durchwirkt. Er verbarg ihren Körper bis zum Boden, aber selbst den ganz hinten Sitzenden fielen die klassische Schönheit ihres Gesichts und das lange, kastanienbraune Haar auf, das bis zu
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