Sechseckwelt 04 - Rückkehr auf die Sechseck-Welt
an einen Baum gebunden und gezwungen, der Notzüchtigung zuzusehen. Danach töteten sie das Mädchen, nicht barmherzig schnell, sondern langsam.
Er weinte, ebenso sehr um die Welt wie um diese Menschen, die gemartert und getötet worden waren. Er hatte gute, tapfere, anständige Männer der Legionen gekannt, Männer, die angesichts solcher Barbarei gehandelt haben würden wie er. Jetzt nicht mehr. Rom dehnte sich aus, erstreckte seinen Einfluß bis an den Rand der Welt, und dazu brauchte man viele Männer, deren einzige Qualifikation darin bestand, daß sie töteten und Spaß am Töten hatten.
Nun umringten sie ihn am Baum.
»Das ist also die Größe des mächtigen Rom«, zischte er verächtlich.
Sie lachten, obwohl er in ihren Gesichtern erkennen konnte, daß eine derartige Kaltblütigkeit angesichts von Marter und Tod sie verblüffte.
Sie zogen ihre Schwerter und feixten ihn an. Einer wies auf das Blutbad. »Waren das deine?«
Er sah dem Mann in die Augen.
»Ich habe sie in meinem ganzen Leben nie zuvor gesehen«, antwortete er in fehlerlosem Latein.
»Warum hast du dann für sie gekämpft?« fragte ein anderer verwirrt.
»Die Kinder des Herrn über Israel sollten nicht von Höllenbrut geschändet werden.«
»Genug davon! Du bist ein tapferer Mann, aber ein Narr«, sagte der Zenturio. »Wir werden dich töten, damit die Sache ein Ende hat.«
»Ich würde mir wahrlich wünschen, daß Ihr das könnt.«
Der Römer zog sein Schwert und zögerte eine Sekunde. Bevor er den tödlichen Streich führte, sah er ihm in die Augen.
Vier knallende Geräusche hallten wieder, gefolgt von einem wapp! wapp! wapp! wapp! Die Römer standen einen Augenblick da und blickten verwirrt, dann stürzten sie zu Boden. Aus ihren Rücken ragten Pfeile.
Vier Männer traten aus dem nahen Gesträuch. Alles Hebräer, das sah er sofort, alle mit Bogen. Einer war ein älterer Mann; nach ihrem Aussehen mußten die anderen seine Söhne sein. Zwei von den Söhnen untersuchten die Leichen der toten Hebräer, während der dritte Sohn mit einem Schwert dafür sorgte, daß die Römer für immer am Boden liegen würden. Der alte Mann kam heran, zog ein kleines, gebogenes Messer aus dem Gürtel und durchschnitt die Fesseln. Er brach beinahe zusammen, als das Blut in seine Glieder zurückkehrte. Der alte Mann war stark und fing ihn auf, bevor er ihn vorsichtig zu Boden gleiten ließ.
»Du hast Schreckliches durchlitten«, sagte der ältere Mann freundlich auf hebräisch.
Er nickte.
»Es waren einfach zu viele«, erwiderte er in derselben Sprache.
»Wir waren ein Stück zu weit weg«, gab der alte Mann zurück. Er seufzte. »Wir hörten die Schreie, kamen aber zu spät und waren vielleicht zu vorsichtig.« Er warf einen Blick auf die toten Römer. »Es ist nur Rache«, murmelte er, wie zu sich selbst, »aber dafür erscheint es einfach nicht ausreichend.« Er sah den Befreiten an. »Hast du Verwandte, zu denen man dich bringen kann?«
Er schüttelte den Kopf.
»Alles, was ich hatte, liegt dort«, murmelte er. »Ich bin wieder allein auf der Welt.«
»Du bist jung und tapfer und geschickt«, sagte der alte Mann. »Du verdienst eine neue Chance. Komm! Ich bin ein Mann von Vermögen. Ich bin Mattathias, der Sohn von Johannes, ein Priester der Söhne Joaribs, jetzt von Modin. Das sind meine Söhne – Joannan Caddis, Simon Thassi, Eleasar Avaran und Jonathan Apphus auf den römischen Listen.«
»Mein Name und meine Familie sind mit ihnen gestorben«, sagte er traurig. »Ich bin mit ihnen gestorben.«
»Dann sollst du mein Sohn sein«, erklärte Mattathias. »Du sollst der Sohn werden, der ihr ältester Bruder war, aber vor so langer Zeit in der Wildnis starb.« Er wandte sich an seine Söhne. »Was sagt Ihr?«
»Er ist ein tapferer Mann, der viel verloren hat«, sagte einer. »Und sein Geist und sein Glaube werden in diesen schwierigen Zeiten sehr gebraucht.« Die anderen nickten.
»Jeder Krieger, von so kleinem Wuchs wie du, der römische Panzer durchdringen kann, trägt große Leidenschaft und die Salbung durch den Herrn in sich«, sagte ein anderer.
»Dann ist es abgemacht«, erklärte Mattathias zufrieden. »Du bist für mich wie ein Sohn. Willkommen in meinem Stamm und meinem Haus. Hinfort sollst du Judas Makkabäus heißen, mein verlorener Sohn, der in diesen Zeiten der Prüfung zu mir zurückgekehrt ist.«
Und sie knieten nieder und beteten gemeinsam darum, daß der Herr, Gott von Israel, dies annehme und es in der Tat SEIN Wille
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