Sechseckwelt 05 - Dämmerung auf der Sechseck-Welt
erreichen, hat er völlig versagt. Er wird nicht nur keine Bedrohung mehr sein, sondern auch sein Gesicht beim eigenen Volk verlieren, vielleicht sogar seine Stellung. Keiner schließt sich einem Verlierer an, und es wird hinterher allerhand Bitterkeit geben. Das hat der Krieg der Sechseck-Welt gezeigt – die Leute wollen nicht, daß ihre Söhne und Töchter, Freunde und Nachbarn irgendeiner Sache geopfert werden, aber wenn sie für eine Sache sterben, die unterliegt, dann machen manche einfach nicht mehr mit.«
»Sie haben also die Seiten gewechselt«, sagte Brazil seufzend.
Ortegas buschige Brauen stiegen hoch.
»Aber Nate! Ich muß mich über Sie wundern! Sie wissen ganz genau, daß es für mich nie eine andere Seite gegeben hat als die meine. Ach was, ich habe bei dem Zirkus hier meinen Kuchen gegessen und gleichzeitig behalten. Ich habe Sie ausgerechnet, bin Ihnen über gewesen und habe Sie in der Falle, und jetzt kann ich mich umdrehen und es denen zeigen, mit denen ich schon lange alte Rechnungen zu begleichen habe. Es ist Zeit, es den anderen heimzuzahlen, Nate, ich sterbe jetzt, und Sie und ich, wir wissen es. Daß ich in Frieden und Abgeschiedenheit sterbe, ist für mich nicht möglich.«
Mavra ließ sich von dem Gedemondaner mit in das Gespräch aufnehmen.
»Zigeuner, jetzt spricht Mavra«, begann sie, gezwungen, ihm das zu erklären, weil der Gedemondaner für sie alle sprechen mußte. »Was geschah – nachdem wir fort waren? Wie ist Marquoz hierhergekommen?«
»Darauf gebe ich selbst Antwort«, erklärte der Hakazit den anderen. »Es war so, daß wir eigentlich zu rasch aufbrechen mußten und Sanghs Armee schon unterwegs war. Sie holte uns in Mixtim ein, und es gab eine blutige Auseinandersetzung. Strenggenommen ging sie unentschieden aus – wir könnten uns vielleicht sogar als Sieger bezeichnen, weil sie viel höhere Verluste hatten als wir. Aber strategisch gesehen, gelang es ihnen, unsere Truppen zu spalten und durchzustoßen. Wir konnten uns auf die Dauer nicht halten, und die Awbrier wurden südwestlich von uns aufgehalten, ein bißchen zu weit weg, um uns zu helfen. Gunit Sangh ließ sich von Ihrem Körper nicht wirklich täuschen, Brazil, sowenig wie Ortega. Den behält er vielleicht in Reserve, um einen moralistischen Sieg zu behaupten, aber das ist schon alles. Er weiß nicht, daß Sie die Erscheinungsform gewechselt haben, aber daß Sie zur Avenue unterwegs sind, war ihm klar, und was mit Mavra hier geschehen ist, brachte ihn völlig aus der Fassung. Er nahm seine schnellsten, vielseitigsten und übelsten Zweitausend und stieß durch die Lücke vor, direkt hierher. Wir konnten ihn nicht aufhalten; das verhinderte der Rest seiner Armee. Seine Truppe befindet sich jetzt auf der Avenue, und morgen früh, wenn es hell wird, wird er diese Schlucht da heraufkommen.«
Sie drehten sich alle um und blickten in die angegebene Richtung, obwohl es da nicht viel zu sehen gab. Schließlich fragte Mavra: »Er ist durchgestoßen, sagten Sie, Marquoz. Was ist mit Asam?«
Der Hakazit schwieg kurze Zeit.
»Er ist tot, Mavra«, sagte er tonlos. »Er ist aber so gestorben, wie er es sich gewünscht haben mag. Mitten in der Schlacht, als Sanghs Truppen vorstießen und unsere vorderste Abwehr überrannten, verließ er seine Befehlsstelle mit zwei Maschinenpistolen, in jeder Hand eine, um die Soldaten zum Gegenstoß anzuführen. Es gelang ihm auch beinahe. Was für ein Anblick! Galoppierend, fluchend, brüllend, während er mit beiden Waffen gleichzeitig feuerte. Seine Leute gingen mit, und das Blutbad, das sie anrichteten, war fürchterlich. Sangh hatte aber bessere Stabsoffiziere als wir, und an der Durchbruchstelle waren einfach zu viele Soldaten. Asam forderte ihnen einen hohen Preis ab, das muß ich sagen. Sie lagen auf allen Seiten von ihm zuhauf, niedergemäht wie Korn, aber gleichgültig, wie viele er zusammenschoß, es kamen immer mehr. Und als seine Waffen leer waren und er schon viele Wunden davongetragen hatte, riß er sein altes Schwert heraus und griff damit an, ein prachtvoller Wahnsinniger. Es hat auf dieser kleinen Welt so etwas noch nicht gegeben. Die Dillianer werden ihn für immer zum Märtyrer und zu einer Legende machen, und selbst seine Feinde werden Loblieder auf ihn singen.«
Sie sagte nichts, hatte aber Tränen in den Augen. Sie konnte nur hoffen, daß das wirklich der Wahrheit entsprach, daß es nicht ausgeschmückt worden war, ihr zuliebe. Aber es war ganz das, was von Asam zu
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