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Sechseckwelt 05 - Dämmerung auf der Sechseck-Welt

Titel: Sechseckwelt 05 - Dämmerung auf der Sechseck-Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack L. Chalker
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muß man ausschalten. Schließlich wird man dich zu einem Heilenden schicken, und dann wirst du nicht mehr denken.«
    Yua überlegte.
    »Du sprichst selbst nicht so dumm oder unwissend«, stellte sie fest.
    Der Schnabel der Alten wölbte sich zu dem, was bei den Awbriern als Lächeln galt.
    »Aber ich bin geübt im Überleben«, erwiderte sie stolz. »In dieser Gesellschaft aufgewachsen, fand ich Wege, klug zu sein und zu lernen, aber das die anderen nie merken zu lassen. Das entstammt der Erfahrung eines ganzen Lebens, und diese Zeit hast du nicht. Man nennt das Gerissenheit, glaube ich. Und was nützte sie? Daß ich meine letzten Tage auf einem Polster verbringe, Drogendämpfe einsauge und davon träume, wie sinnlos alles gewesen ist.«
    Wenn Dhutu von diesen Worten entsetzt war, ließ sie sich das jedenfalls nicht anmerken. Sie regte sich kaum.
    »Ich glaube«, flüsterte Yua, »daß an dieser Gesellschaft hier mehr ist, als einer Neuen – oder einem Mann – auf den ersten Blick auffällt.«
    Wieder kam das Lächeln.
    »Ja, so ist es. Innerhalb des Klans gibt es die Gilden, und innerhalb der Gilden Dinge, die – nützlich sind. Eine verborgene Schule, könnte man sagen. Ich verrate dir das nur, weil es für dich auffälliger sein wird als für die Männer, und du wirst besser bestehen, wenn du dich nicht verrätst, nicht die falschen Fragen stellst. Du wirst wissen, daß die Herrschaft der Männer hier eine absolute ist. Sie können mit dir tun, was sie wollen, und du hast keine Rechte und nichts zu bestimmen. Aus diesem Grund geschieht alles, was wir tun, unter großer Gefahr, und ist trotzdem notwendig. Wir haben dieselben Gehirne und Fähigkeiten wie die Männer und dürfen es nicht zeigen. Wir müssen weitab im Hintergrund arbeiten, damit unsere eigenen Ideen als die der Männer, nicht als unsere eigenen gelten.«
    »Aber warum?« fragte Yua. »Warum ist das so? Das System scheint reif zu sein für eine Revolution.« Sie hatte Mühe mit diesem Begriff, weil es in der Sprache Awbris dafür keine Entsprechung gab. Der Ausdruck klang wie ›ändern, wie die Dinge stehen‹, aber was sie meinte, war klar.
    Die Alte seufzte.
    »Mein Kind, du weißt noch nichts und begreifst nicht. Wenn deine erste Zeit vorbei ist, wirst du einsehen, daß dieser Weg der einzige ist. Geh jetzt. Ich befreie dich bis zu deiner ersten Zeit und der Aufnahme in den Klan von der Arbeit. Danach wird dir manches klarer sein. Es mag sein, daß du dich danach wirst umbringen wollen.« Ihre Augen verengten sich. »Und merke dir, wenn irgendeine Gefahr besteht, daß du, und sei es zufällig, verraten könntest, was du jetzt weißt, wirst du einen noch leichteren und schnelleren Ausweg finden.«
    Mit dieser Drohung war das Gespräch beendet. Die alte Frau ließ sich zurücksinken, griff nach einem kleinen Kästchen voll feinem, weißem Pulver, sog tief die Luft ein und schien in eine Art lustvoller Versunkenheit zu verfallen. Dhutu machte eine Geste, und sie gingen hinaus und stiegen eine Etage hinunter.
    Die Frauen wohnten in spartanischen Unterkünften in verschiedenen Stockwerken, aufgeteilt nach Gilden – Zimmerei, Landwirtschaft, Handwerk und so weiter –, während die unterste Etage für die Frauen ohne Gilde oder Handwerk vorgesehen war. Sie sah aus wie die anderen, ein nackter Raum mit Strohkissen zum Schlafen, einem einfallsreichen Leitungssystem, das Wasserfälle im Freien anzapfte und das Wasser durch den dicken Stamm herein- und wieder hinausführte, sowie mit einer Toiletteneinrichtung für alle. Aber im Gegensatz zu dem Trog für Waschen, Baden und dergleichen, führte der Toilettenabfluß zu einer Stelle unterhalb des untersten Geschosses, wo ein natürliches System das Abwasser wegfilterte. Die Fäkalien der Awbrier trugen dazu bei, den Baum zu nähren, so daß es sich um ein kluges System handelte, aber die Etage genau darüber wurde dadurch zu einem von Gestank erfüllten Ort – und das war natürlich der Wohnraum für ungelernte und nicht einer Gilde zugehörigen Arbeiterinnen; Yuas Unterkunft.
    »An den Gestank gewöhnst du dich«, versicherte ihr Dhutu. »Wenn du eine Zeit hier bist, merkst du ihn gar nicht mehr. Wir haben alle so angefangen. Die meisten deiner Schwestern werden sehr jung und noch keiner Gilde zugeteilt sein – oder sehr, sehr dumm. Du verstehst?«
    Yua nickte wenig begeistert.
    »Dhutu, etwas ist mir immer noch nicht klar: das mit meiner ›Zeit‹. Zuerst habe ich dich mißverstanden und dachte, du

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