Sechseckwelt 05 - Dämmerung auf der Sechseck-Welt
abgesehen davon schien sich der Schaden in Grenzen zu halten. Die Wunden am Pferdekörper oben und seitlich waren schmerzhaft, und sie hatte auch innere Prellungen davongetragen, doch nichts schien ernsthaft verletzt zu sein. Sie hatte das Gefühl, damit leben zu können.
Auch Asam war so hart im Nehmen, wie sein Ruf es behauptete. Nachdem sie ihn in Aktion gesehen hatte, gedachte sie an seinen Geschichten und Legenden nicht mehr zu zweifeln, und sprach das auch aus.
Er grinste.
»Sie haben sich selbst recht gut gehalten, wissen Sie. Ich kenne nicht sehr viele Leute, ob Männer oder Frauen, die das könnten.« Er sah sie an, und das Grinsen wurde schwächer, ohne ganz zu verschwinden. »Wissen Sie, Sie haben mich einmal gefragt, auf welcher Seite ich stehe. Nach diesem Vorfall brauchen Sie das nicht mehr zu fragen. Verstehen Sie? Und das gilt nicht nur für mich. Diese Narren haben Ihnen die halbe Arbeit abgenommen. Sie haben kaltblütig unschuldige Dillianer umgebracht, Dillianer ohne politische Neigung, ohne einseitige Haltung, ganz gewöhnliche Leute. Ich kenne mein Volk, Mavra. Man wird die Rechnung begleichen wollen.« Er machte eine Pause und grinste wieder breit. »Und was mich angeht, so habe ich Sie in verschiedenen Situationen beobachten und kennenlernen können. Ich wäre stolz darauf, jederzeit bei Ihnen mitzutun.«
Sie lächelte, griff nach seiner Hand und drückte sie. Sie hätte den alten Abenteurer am liebsten umarmt, aber dafür waren sie beide zu zerschlagen. Immerhin dachte sie wieder an den Traum, diesen Bastard ihres Innersten, geweckt von dem Totschläger. Sie wünschte sich, ihrer Seite und Sache ebenso sicher zu sein, wie er es jetzt zu sein schien.
»Und was tun wir jetzt?« fragte er. »Ich würde nicht mehr lange hierbleiben, wenn Sie glauben, daß Sie weiterziehen können. Es besteht immer die Gefahr, daß sie irgend jemanden als Beobachter eingesetzt hatten, oder Gehilfen in Dillia könnten die Nachricht weitergeben. So oder so werden sie es hier erneut versuchen, sobald sie wieder eine Truppe aufzustellen vermögen. Der Gedanke beschäftigt mich schon seit zwei Tagen auf unliebsame Weise. Wie fühlen Sie sich?«
»Miserabel«, erwiderte sie düster. »Aber welche Möglichkeiten gibt es sonst?« Sie sah sich in der Hütte um, die zu einem Lazarett geworden war.
»Wir können auf den Rettungstrupp warten. Die Leute sollten innerhalb der nächsten Stunden hier sein, wenn alles gutgeht. Vergessen Sie nicht, sie können niemanden schicken, wenn sie den See nicht ohne den einen guten Heilkundigen lassen wollen. Vermutlich ist mit dem heutigen Boot oder einem Sonderschiff eine gute, kräftige Mannschaft eingetroffen, und sie sind schon auf dem Weg. Sie brauchen ohnehin Gerätschaften, was sie behindert.«
Zurück. Sie wollte am liebsten zurück, zurück in das friedliche Dorf mit seinem Bier, der freundlichen Gesellschaft und den sanften Wasserfällen.
»Wenn jemand über uns herfallen will, wäre das der richtige Zeitpunkt«, erklärte sie. »Und inzwischen wird jeder Beobachter eine recht gute Beschreibung von mir haben.«
»Die einzige andere Möglichkeit für uns ist die, weiterzugehen«, betonte er. »Und keiner von uns ist so bei Kräften, daß er volles Gepäck tragen oder einen Geschwindmarsch aushalten könnte. In ein paar Tagen, ja, aber nicht jetzt. Sie sind immer noch wacklig auf den Beinen, und von hier an wird der Steig sehr schwierig.«
Sie trat an den Tisch, an dem Asam gestanden hatte, als sie zu sich gekommen war. Dort lag eine Karte von Gedemondas ausgebreitet, eine topographische Karte mit Pfaden, Schutzhütten und Biwakunterkünften. Es war leicht zu finden, wo sie sich jetzt befanden, die erste Hütte über der Schneegrenze. Sie studierte die Karte, und er kam heran und blickte über ihre Schulter.
»Wonach suchen Sie?« fragte er.
»Nach einem eingestürzten Vulkan«, antwortete sie. »Ein riesengroßer Krater, hoch oben, umgeben von hohen Gipfeln.«
»Ein Großteil von Gedemondas ist vulkanisch«, stellte er fest. »Viele sind auch noch aktiv. Nicht sehr gefährlich, die meisten. Im Notfall könnte man vor einem Lavastrom davonlaufen. Von den großen paffen aber einige ziemlich stark.«
Sie nickte.
»Die Gedemondaner leben in Vulkanhöhlen und benützen miteinander verbundene Lavaröhren, um unter der Oberfläche voranzukommen. Das Netz ist von enormer Größe. Sie verwenden Vulkandampf auch für Hitze- und einfache Energieerzeugung – obwohl das ein
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