Sechseckwelt 05 - Dämmerung auf der Sechseck-Welt
begann sie sich zu nähern, aber die gütige Gestalt erlebte eine grauenhafte Verwandlung, veränderte sich von ihrer menschlichen Vollkommenheit in ein fürchterliches, häßliches Froschwesen, das lallte und sabberte und sich von ihr abwandte, um ihre Eltern in der Ferne zu verschlingen, wobei es gellend lachte.
Sie fühlte, wie sie hinabstürzte, immer tiefer hinab in eine Art Grube; auch diese war erfüllt von der Flüssigkeit, die jetzt der Fäulnis verrottenden Abfalls glich.
Sie wehrte sich noch stärker gegen den giftigen Gestank, streckte die Hände aus, um irgend etwas zu packen, aber da war niemand, überhaupt niemand. Sie versank immer tiefer in Schleim und Dreck, und die grausigen Wesen umschwebten sie immer noch lachend, höhnend, witzelnd und zustoßend.
Ein hart aussehendes, fahlgelbes Gesicht mit fast weißen Haaren erschien am Rand, lächelte sie an und streckte eine Hand hinunter. Aber die Hand verrottete, als Mavra sie berührte, wurde zu einer Skeletthand.
Die Infektion verzehrte schließlich die alte Frau ganz, und als das geschehen war, fühlte sie sich noch tiefer in Schleimschichten versinken. Sie war immer überzeugter davon, daß sie ewig in dieser bodenlosen Grube von Qual und Fäulnis bleiben mußte.
Nun tauchte ein anderes Gesicht auf, ein gütiges Gesicht, ein Gesicht, das für alle Rassen der Alten Erde bezeichnend war, ein gutaussehendes Gesicht, das Hilfe zu bringen versprach. Er streckte die Hand aus und ergriff sie, zog sie herauf aus Schmutz und Schlamm, und einen Augenblick lang glaubte sie frei zu sein. Sie konnte vor sich Luft sehen und Sterne, Millionen funkelnder, flackernder Lichter, überall vor ihr ausgebreitet.
Dann kam ein Geräusch, eine laute Explosion irgendwo in ihrer Nähe, und als sie voller Entsetzen wieder hinsah, schien das Gesicht ihres Retters zu zerspringen, in grotesker Weise zu explodieren, und der Griff löste sich.
» Gimball! « kreischte sie. » Nein! Nein! Mein Mann …«
Aber er war fort und sie war wieder allein, versank wieder im Unrat, nie frei von der strudelnden Flüssigkeit, und es schien, als genossen die schnatternden Wesen das jetzt um so mehr.
Schwarze Umrisse näherten sich, fesselten sie, zerstückelten ihren Körper, machten sie zu einem mißgestalteten, hilflosen Ungeheuer. Noch immer wehrte sie sich, kämpfte gegen die dunklen Kräfte an, die sie tiefer und immer tiefer in den Kot hineinzogen. Ein anderes Wesen, verunstaltet, verstümmelt wie sie, näherte sich, als die Geschöpfe, die sie umkreisten, herandrängten, um sie zu ersticken. Ein Dämon hob den Speer und stieß ihn auf sie zu, den Blick von Haß erfüllt, aber das andere Wesen warf sich dazwischen, ergriff den Speer und verschwand ebenfalls in der Fäulnis.
Ein violettes Licht brach durch den Unrat, und sie hörte Obies Stimme, die nach ihr rief. Sie erreichte das Licht.
»Ich bin dein Zaubergeist«, erklärte er ihr. »Wo im Universum willst du hingehen?«
»Überallhin!« rief sie, und in blitzschnell vorbeizuckenden Szenen tat sie es. Und doch stimmte dabei etwas auf furchtbare Weise nicht. Jeder Ort, den sie besuchten, wies noch mehr von der fauligen Scheußlichkeit auf, der sie sich entronnen geglaubt hatte. An jedem Ort wurde es immer mehr stinkender, faulender Abfall.
Das violette Licht verglomm, und wieder stand Nathan Brazil vor ihr. Er zog die Schultern bedauernd hoch und lächelte sie schief an.
»Na, was haben Sie erwartet?« fragte er. »Schließlich habe ich das alles nach meinem Bild geschaffen.«
Und da waren nur noch die wirbelnde, verschlingende Flüssigkeit und der Gestank und die Fäulnis, die Empfindungen von Eiseskälte und sengender Hitze, der Schmerz, und nichts sonst. Nichts. Nichts.
Allein. Sie war allein. Für immer allein im Schlamm… Sie haßte den Schlamm, haßte den Gestank, und vor allem haßte sie ein von Leben wimmelndes Universum, in dem sie so völlig, so absolut allein sein konnte. Wenn das Universum so eingerichtet war, dann war es besser, wenn es vernichtet wurde, dachte sie wild. Weg mit dem Schmutz, hinaus mit dem Abfall, rein und sauber, säubern… Aber so leer jetzt, so allein, so völlig allein…
Doch auf irgendeine Weise war sie nicht allein, nicht jetzt, nicht in diesem Augenblick. Sie hatte den Eindruck, daß jemand sie umarmte, Wärme und Fürsorge übertrug, ihr erklärte, alles sei gut, es sei jemand bei ihr. Sie mühte sich mit aller Kraft, die Augen zu öffnen, um zu sehen, wer oder was das sein mochte,
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