Sechseckwelt 05 - Dämmerung auf der Sechseck-Welt
und das gelang ihr schließlich auch, aber die Welt wollte keine scharfen Umrisse annehmen. Eine Gestalt, nur eine Gestalt, nicht mehr, nicht weniger. Eine Gestalt, die sich sorgenvoll und fürsorglich herabbeugte. Ein wettergegerbtes, hartes, gutaussehendes Gesicht, dessen Augen uralte Weisheit und Güte verrieten, die er zu verbergen versuchte, was ihm aber nicht gelang.
Plötzlich fühlte sie sich unendlich müde, unendlich verbraucht, und sie sank zurück, nicht ins Koma, nicht in den Schlamm, sondern in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Sie erwachte, schaute sich dumpf um und versuchte sich zu bewegen. Sie lag in einer Art Gurtzeug und konnte sich davon nicht ganz befreien.
Im Kamin knisterte ein Feuer. Zwei von der Gruppe befanden sich wie sie in Schlafställen, gestützt durch kompliziertes, aber offenkundig provisorisch angebrachtes Gurtzeug aus Gürteln, elastischen Bändern, Pelzstreifen, allem gerade Verfügbarem.
Zwei andere Zentauren gingen herum. Einer legte im Kamin nach und blickte in einen Topf, der andere stand an einem kleinen Tisch und überflog irgendwelche Papiere. Auch die beiden schienen körperlich nicht in der besten Verfassung zu sein; der am Feuer, übersät mit Verbänden und tiefen Narben, schonte sein rechtes Vorderbein, der andere am Tisch war Colonel Asam, dessen humanoider Rumpf mit angeschwollenen Striemen übersät war. Auch er trug an verschiedenen Stellen seines Körpers glatte Verbände.
»Asam?« rief sie und nahm selbst wahr, wie schwach ihre Stimme klang. »Asam, was ist geschehen?«
Die beiden Männer drehten sich um, und der Colonel kam rasch auf sie zu, ein Lächeln im Gesicht. Eines seiner Augen war fast völlig zugeschwollen, sein Gesicht war so zerschlagen und verquollen, daß sie erschrak, aber er lächelte, griff in einen Beutel und zog eine Zigarre heraus.
»Na! Willkommen im Land der beinah Lebenden«, witzelte er. Sie lächelte ebenfalls.
»Was – wer waren diese Wesen?«
»Tilki. Sehr weit von ihrer Heimat entfernt. Abscheuliche Dinger. Wenn das nicht ein nicht-technologisches Hex gewesen wäre, hätten sie uns erledigt. Mit Nahkampf-Waffen sind diese Kerle aus einem Hochtech-Hex aber meistens miserabel.«
»Banditen?« meinte sie.
Er schüttelte den Kopf.
»Nein. Sie trugen Uniformen. Militär. Ein hübsch organisierter Hinterhalt.«
»Also… gedungene Mörder?« fragte sie und dachte an Asams Bericht über die Blutrache.
»Ja, aber nicht nach mir ausgeschickt«, sagte er. »Wir haben sie alle erwischt – das glaube ich jedenfalls. Es sei denn, sie hätten noch welche in Reserve gehabt, die das Weite suchten, als wir die Oberhand gewannen. Das bezweifle ich aber. Noch einer oder zwei mehr, und wir wären unterlegen.«
»Nicht nach Ihnen? Aber –«
»Ich habe einen Übersetzer-Kristall, wenn Sie sich erinnern«, erwiderte er. »Ich habe ihr Geschnatter verstanden. Für mich gibt es keinen Zweifel daran, daß sie es auf Sie abgesehen hatten. Ich habe Ihren Namen ein paarmal gehört. Sie hätten Sie auch erwischt, wenn wir weniger Leute gewesen oder sie nicht durch die erste Jagdgesellschaft gestört worden wären. Sie haben sich die Stelle gut ausgesucht – das ist das logische erste Nachtlager, und im Flug konnten sie es erreichen, ohne die hohen Gipfel überqueren zu müssen. Der Haken war nur, als sie hier ankamen, waren die Jäger schon da. Sie wußten, daß Sie nicht dabei waren. Ich glaube nicht, daß sie eine genaue Vorstellung von Ihrem Aussehen hatten, aber die anderen waren alle Männer, und sie wußten, daß Sie eine Frau sind. Nur eine Vermutung, wohlgemerkt – es sind keine Zeugen mehr vorhanden. Ich würde meinen, sie lockten die Jäger heraus, die keinen Grund hatten sich zu fürchten, und höchst neugierig waren, weil sie ausgerechnet hier auf Tilki stießen. Ich nehme an, die Halunken überfielen sie so blitzschnell, daß sie gar nicht wußten, wie ihnen geschah.«
Sie überlegte.
»Militär, sagten Sie. Warum ich?«
Er grinste.
»Sie haben mir allerhand darüber erzählt, was derzeit im Gange ist. Für mein Gefühl hat der Zone-Rat beschlossen, Krieg zu führen, in den Unterlagen nachgesehen, wer die führenden Leute auf der anderen Seite sind, und beschlossen, Brazils wichtigste Gehilfen aus dem Weg zu räumen, bevor es losgeht. Sie könnten auch nervös sein, was Gedemondas angeht. Eine unbekannte Größe, Sie verstehen. Wenn man nicht an sie herankann, nehmen sie am Kampf nicht teil.«
Sie nickte und schaute
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