Sechseckwelt 05 - Dämmerung auf der Sechseck-Welt
Mobilisierung schreitet gut voran, vor allem in den kritischen Gebieten – auf den von Glathriel wegführenden Wegen, wohin der Gegner sich nach unserer Meinung zuerst begeben wird. Ihre Wasser-Hexagons und Bootskulturen sind jetzt besonders wichtig. Wenn Brazil versucht, über See heranzukommen, besitzen wir eigentlich nichts an eine Marine Heranreichendes, das wir einsetzen könnten, um ihn aufzuhalten, und es bleibt keine Zeit, eine solche aufzubauen. Aber wenn wir wissen, daß er auf einem Schiff ist und wo sich dieses Schiff befindet, können wir ganz gewiß ohne Schwierigkeiten für die Versenkung sorgen und Brazil von dem unvermeidlichen Eisberg holen, der passenderweise in seiner Nähe schwimmen wird, selbst wenn es sich um ein Tropen-Hex handelt. Die Dinge werden sich bald zu unseren Gunsten wenden. Die Stabsbesprechung bedeutet, daß sie sich aufbruchsbereit machen. Wenn wir sehen, wohin sie sich wenden, nachdem sie auf Ambreza-Glathriel gemeinsam vorstoßen, läuft danach alles nach unseren Wünschen.«
»Glauben Sie das wirklich?« fragte eine Stimme.
»Ja«, erwiderte er entschieden. »Und Sie sollten das lieber auch tun.«
»Er hat uns übertölpelt, als er hierherkam«, stellte ein anderer fest. »Wie kommen Sie darauf, daß ihm nicht noch etwas einfällt?«
»Das kann durchaus sein«, gab Ortega zu. »Ich habe keine Ahnung. Darauf müssen wir eben achten. Vergessen Sie aber nicht, daß wir bei ihren Streitkräften auch Leute von uns eingeschleust haben. Sobald ihr Plan in Aktion tritt, wird klar werden, was sie vorhaben.«
Es war in erster Linie eine Rede zur Aufmunterung, und nachdem er seinen Beitrag geleistet hatte, ließ er sie gegeneinander toben und wüten, während er abschaltete. Es scheint einfach nicht mehr von Bedeutung zu sein, dachte er mürrisch.
Er streckte eine Hand aus und zog aus einer Schublade ein zerknittertes Stück Papier heraus, glättete es und überflog den Brief erneut. Er war vor nicht langer Zeit auf seinen Schreibtisch gelegt worden, als er sich ins Badezimmer hatte verfügen müssen. Es gab keine Anzeichen dafür, daß jemand das Büro betreten oder verlassen hatte, aber da hatte der Brief gelegen. Er betrachtete ihn immer wieder wie einen Geist aus der Vergangenheit, den es nicht geben konnte. Der Brief war in der Kom-Sprache abgefaßt, in deutlich lesbarer Schrift.
Lieber Serge,
tut mir leid, daß ich Sie auf dem Weg herein verpaßt habe, aber Sie werden verstehen, warum ich mich nicht aufgehalten habe, um mit Ihnen zu sprechen. Ich wollte Ihnen das gleich zukommen lassen, damit Sie die unnötige Beseitigung dieser Nathan-Brazil-Kopien unterbinden. Ich bin hier. Sie können sich das schenken. Wie man Ihnen vielleicht erklärt hat, mache ich das auch gar nicht aus freien Stücken. Offen gesagt, das einzige, was für die ganze Sache spricht, ist, daß sie ein bißchen Spaß bringen könnte, ein wenig Abwechslung vom üblichen – aber das würden Sie verstehen, nicht wahr?
Ich begreife Sie nicht, muß ich zugeben. Was Sie mir mit Gewalt antun wollen, scheint dasselbe zu sein, was Sie sich angetan haben – sich in ein mit Samt ausgeschlagenes Gefängnis zu verfrachten. Das ist nicht der alte Serge, mit dem ich auf Dutzenden von Welten Bars demoliert habe. Nicht einmal der alte Schweinehund, der mich bei meinem letzten Aufenthalt hier so hereingelegt hat. Wenn Sie das Gefängnis verlassen wollen, dann kommen Sie zu mir, falls Sie das können. Im Gegensatz zu Ihrer Meinung würden Sie nicht plötzlich in eine tausend Jahre alte, eingeschrumpfte Leiche verwandelt werden. Sie würden einfach da weitermachen, wo Sie aufgehört haben. Wenn Sie beim großen Finale also dabeisein wollen, dann kommen Sie einfach zur richtigen Zeit heraus. Falls Sie es sogar schaffen, mit mir in den Schacht zu kommen, kann ich sogar Ihre Probleme beheben. Sie haben mein Wort darauf. Sie haben an meiner Behauptung gezweifelt, daß ich Gott sei, als die meisten Leute das glatt schluckten. Wir sind zwei von einer Sorte, Sie und ich. Wir verstehen einander. Aber ob ich nun Gott bin oder nicht, ich kann mit diesen verdammten Maschinen umgehen. Das wissen Sie, also wissen Sie auch, daß ich es schaffen kann. Überlegen Sie es sich. Selbst wenn Sie sich so verändert haben, daß wir uns nicht mehr begegnen, nun, es macht immer Spaß, sich geistig mit Ihnen zu messen. Aber wenn Sie sich diesmal gegen mich stellen, mache ich Sie so fertig, daß Ihr langer Schwanz sich ganz von selbst
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