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Sechseckwelt 05 - Dämmerung auf der Sechseck-Welt

Titel: Sechseckwelt 05 - Dämmerung auf der Sechseck-Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack L. Chalker
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verknoten wird. Trotz allem alles Gute. Das wird lustig werden, nicht? Wie in alten Zeiten… Und in diesem Sinne bin ich stets
    Nathan Brazil
     
    Er hielt den Brief in der Hand und las ihn immer wieder, dann griff er in den Schreibtisch, zog Streichhölzer und eine kleine Porzellanschale heraus. Er zündete ein Streichholz an, führte die Flamme an den Brief und hielt ihn in der Hand, bis er ihn lodernd in die Schale fallen lassen mußte. Bald war er völlig verbrannt. Nur ein wenig Asche blieb, noch mit Schriftspuren versehen, und sie war leicht zu zerdrücken.
    Hatte er sich wirklich verändert? fragte er sich – und nicht zum erstenmal, obwohl seine Lage und vor allem der Brief ihn dazu zwangen, sich die Frage mit mehr Nachdruck und Dringlichkeit zu stellen.
    Ja, entschied er. Er hatte sich verändert – vor der Sechseck-Welt. Jahrzehnte als Schmuggler, Pirat, Söldner, was auch immer, hatten gegen Ende seines Lebens ein Gefühl gelangweilten Unbehagens erzeugt. Er war zu dem Schluß gekommen, daß er alles getan hatte, was man tun konnte, alle Welten erobert hatte, die er würde erobern können, mit allen schönen Frauen geschlafen hatte, die er sich wünschen konnte. Er hatte alles getan und viel Spaß dabei gehabt, aber was blieb noch? Deshalb war er mit seinem Raumschiff hinausgeflogen, bemüht, den Mut aufzubringen, sich zu töten, ohne in der Lage sein, über seinen strengen katholischen Glauben hinwegzukommen, von dem er sich abgewandt hatte, als er noch sehr jung gewesen war, aber der ihn nun wieder verfolgte. Selbstmord, das einzige Verbrechen, das nicht bereut werden konnte… Er war hinausgeflogen, immer weiter hinaus in noch unerforschte, unvermessene Bereiche, und hatte sich bei dem Wunsch ertappt, es möge irgendeine neue Welt geben, neues Erleben für ihn, das seinem Leben neuen Sinn verleihen konnte. Dann war jenes seltsame Notsignal gekommen, ein Blick auf einen dichten Asteroidengürtel in einem riesigen leblosen System um einen roten Riesen, und ganz plötzlich hatte er sich auf der Sechseck-Welt befunden, der Antwort auf seinen Traum.
    Oder doch nicht? fragte er sich. Als junger Ulik hatte er neu angefangen, eine neue Gesellschaft, neue Kultur kennengelernt, während er Macht erwarb, ein ganzes neues Spektrum von Lust erlebt. Aber das war lange her.
    Und nun stand er wieder einmal an dem gleichen Punkt wie vor so langer Zeit. Es blieb einfach nichts mehr zu tun. Ein mit Samt bespanntes Gefängnis, hatte Brazil es genannt. Aber diesmal gab es keine markovischen Löcher, durch die er stürzen, keine neuen Sechseck-Welten mehr, wo er neu anfangen konnte.
    Er dachte wieder an Brazil. Wenn der so alt war, wie er behauptete, war er weit über vierzehn Milliarden Jahre alt. Vierzehn Milliarden Jahre. Der Verstand konnte das gar nicht erfassen. Er bezweifelte sogar, ob Brazils Gehirn dazu imstande war. Nie verändert, nach einiger Zeit immer wieder dasselbe Leben, eines nach dem anderen. Keine Wiedergeburt, keine neuen Erfahrungen. Dieselbe Form, immer das gleiche, beschränkt sogar durch die Technologie der Leute, bei denen er sich von der Außenwelt abgeschnitten hatte. Die Verhöre bei den Neuzugängen – wenigstens bei den letzten – ergaben, daß man ihn durch Nachforschungen aufgespürt hatte, denn sogar er hinterließ Spuren.
    Brazil war kaum unauffällig gewesen. Er schien an allen Kriegen und Bewegungen auf der Alten Erde beteiligt gewesen zu sein, stets in den Schlagzeilen, immer im Vordergrund, aber doch so klug, daß, selbst wenn seine Tarnung einmal verrutschte, neue Legenden entstanden. Der Fliegende Holländer, der Ewige Jude, Gilgamesch.
    Brazil versuchte, der letzten Langeweile und dem Wahnsinn zu entrinnen, begriff Ortega als einziger. Aber was, zum Teufel, tut man, wenn man alles getan hat und nichts mehr zu tun bleibt? Man steuert ein Frachtschiff zwischen Langeweile und Eintönigkeit und versucht zu vergessen, wer man ist, was man ist, schließt sich innerlich einfach ab.
    Brazil meinte, das könnte lustig werden. Lustig! Und nur für Ortega ergab das Sinn.
    Aber damit stand er vor einem Problem. Sollte er es noch einmal mit Brazil aufnehmen, um festzustellen, ob er immer noch der Meister der schmutzigen Tricks und des Schlages unter den Gürtel war, immer Herr der Lage? Die Verlockung war da – ganz gewiß. Es würde Spaß machen, wie Brazil gesagt hatte.
    Aber wenn er, Ortega, gewann, würde es einen Sieg geben? Wenn er darauf nur die Antwort gewußt

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