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Sechselauten

Sechselauten

Titel: Sechselauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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mit noch schlechterer Behandlung. Dies führte dann dazu, dass sich die Symptome der Traumatisierung verstärkten. Am Ende dieses Teufelskreises kam es in zahlreichen Fällen zu willkürlichen Versorgungen in einer der Abteilungen der Strafanstalt Bellechasse, Kanton – Fribourg. [Räuspern]
    Es dauerte eine Weile, bis Lara realisierte, dass die Aufzeichnung zu Ende war. Sie suchte nach weiteren Dateien auf der CD , nach irgendetwas, einer Fortsetzung oder mindestens einer Erklärung. Aber sie fand nichts. Und weil es nichts anderes gab als diese eine Aufzeichnung, hörte sich Lara sie noch ein zweites Mal an. Und danach noch ein drittes und viertes Mal.

10
    E r hat alles aus nächster Nähe mitgekriegt. Glaub mir,
Claudio. Der Kleine hat etwas gesehen. Du musst dem nachgehen.«
    »Und du bist wirklich suspendiert?«
    Der Kommissar zuckte die Achseln.
    »Dein Büro hat er angezündet.«
    »Das heißt aber nicht, dass wir den nicht suchen müssen. Und bitte klär endlich ab, was in diesem Heim gelaufen ist.«
    »Verdammt, ja«, sagte Claudio und blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
    Gleich nach dem Meeting mit Kobler und dem Anwalt hatte Eschenbach Jagmetti angerufen. Nun saßen sie in der Lounge des Restaurants Hiltl, tranken in der dritten Runde Espressi und überlegten sich seit einer Stunde, ob sie doch noch etwas essen sollten oder nicht.
    »Und trotzdem hat Kobler den Jungen nicht mit einem Wort erwähnt«, sagte Eschenbach.
    »Es geht um die Befindlichkeit höherer Kreise. Diese Lara Bischoff, die dir dieses Ding übergebraten hat …«
    »Es war Gusseisen, Claudio. Schwere Kanone.«
    »Also gut. Und diese Frau … die ist noch um einiges schwerer. Hast du den Bericht gelesen?«
    »Ja … Nein. Ich weiß nicht. Es war alles ein bisschen viel.«
    »Lara Bischoff ist ein hohes Tier bei Goldmann Investments Ltd., mit Hauptsitz in London. Britische Hochfinanz ist das. Ichhabe etwas recherchiert. Die beraten die FIFA schon seit Generationen. Verstehst du jetzt? Das ist ein dicker Dackel.«
    »Charlotte Bischoff hat auch bei der FIFA gearbeitet, als Vorstandssekretärin«, sagte Eschenbach.
    »Ich hab mit Christoph Klöti gesprochen«, sagte Claudio. »Das ist einer der beiden Polizisten, die nach Wädenswil ausgerückt sind und die Bischoff dann mitgenommen haben.«
    Eschenbach erinnerte sich und nickte.
    »Beide wurden abgemahnt. Es gab ziemlichen Zoff. Aber am besten erzähl ich dir das alles der Reihe nach. Also, die nehmen die Bischoff im Wagen mit und fahren mit ihr auf die Wache. Für den Papierkram. Du kennst es ja. Von dort aus hat sie dann den Anwalt angerufen.« Jagmetti rollte mit den Augen. »Kronenberger heißt der. Doktor Kronenberger.«
    »Ich hab ihn heute kennengelernt.«
    »Und diese Lara Bischoff …«, fuhr Jagmetti fort. »Nachdem sie sich beruhigt hatte, sagte die kein einziges Wort mehr. Wie ein Kühlschrank, hat Klöti gesagt. Hat sich mit ihrem Anwalt ausgetauscht, und der diktierte dann, was laut seiner Mandantin vorgefallen war. Und ich sag dir, auf diesen zwei Seiten hagelt es nur so von Ungemütlichkeiten.«
    »Zum Beispiel?«, fragte Eschenbach. Ungemütlichkeiten waren ein weites Feld, in dem er sich neuerdings recht gut auszukennen glaubte.
    »Ungerechtfertigtes, gewaltsames Eindringen in eine Privatwohnung …« Jagmetti versuchte die Formulierungen mit Händen aus der Luft zu greifen. »Unterlassene Hilfeleistung gegenüber einer schutzbedürftigen Person und so weiter. Den Wortlaut weiß ich nicht mehr … geschliffener juristischer Wortschatz jedenfalls. Eine Reihe von Tatbeständen, Unterlassungen und Versäumnisse. Murphy’s Law eben, fünf DIN-A 4 -Seiten voll.«
    Eschenbach nickte, dachte an den Abrieb, den er zwei Stunden zuvor in Koblers Büro erhalten hatte, und setzte ein gequältes Grinsen auf. »Und dann trifft die Scheiße den Ventilator.«
    »Genau«, sagte Claudio. »Weil dann hat er das alles direkt der Staatsanwaltschaft zukommen lassen. Per Kurier. Mit Kopien an Kobler und den Departementschef. Jetzt ist’s politisch.«
    »Das habe ich gemerkt.«
    »Kobler meint, wenn sie dich aus der Schusslinie nimmt, lässt sich wenigstens das Schlimmste abwenden. Und dann hat sie Anweisungen gegeben, dass wir die Akte so diskret wie möglich schließen sollen.«
    Der Kommissar bewegte sich nicht. Die letzten Worte erreichten ihn wie durch einen langen Korridor. Und als sie verhallt waren, kamen sie wie ein Echo wieder zurück.
    Auch Jagmetti schwieg jetzt.

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