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Sechselauten

Sechselauten

Titel: Sechselauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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übersehen.«
    Der Kommissar zuckte mit den Schultern. »Was soll man machen. Die Suspendierung ist ein Witz. Krankgeschrieben bin ich auch. Aber ich mach trotzdem weiter.«
    » Last Man Standing  – eh?«, der Pathologe grinste. »Bruce Willis beim Aufräumen. Hast du den Film gesehen?«
    »Blödsinn«, sagte Eschenbach. »Es gibt einen Jungen, der hatetwas gesehen. Nämlich wie die Frau mit jemandem Streit hatte.« Das Wort Mulo ließ Eschenbach tunlichst beiseite. Salvisberg war ein Mensch, der nur zu gern die Dinge ins Lächerliche zog. »Der Bub sieht, wie der Frau etwas entrissen wird, und wie sie stirbt …«
    »Dann hast du ja immerhin etwas«, hustete Salvisberg. »Wenn der Kleine präzise Angaben macht und Gewalt im Spiel war … lass doch von diesem Mann ein Phantombild erstellen.«
    »Nun ja. Wir werden’s probieren«, meinte Eschenbach düster.
    »Es müsste allerdings schon etwas Gravierendes vorgefallen sein«, sagte der Pathologe weiter. »Die Frau hatte einen implantierten Cardioverter … einen Defibrillator, wie man sagt. Der hätte unter normalen Umständen eigentlich funktionieren müssen.«
    »Und warum tat er es nicht?«
    Salvisberg zuckte die Schultern, sah in Eschenbachs besorgtes Gesicht – dann lachte er. »Nein, mein Lieber. Lass dir ja nichts anhängen. Du hast damit überhaupt nichts zu tun. Der Cardioverter hätte längst seinen Dienst tun müssen, bevor du dort aufgekreuzt bist.«
    »Und wenn das so ist … ich meine, warum hast du mir das nicht sofort mitgeteilt, nach allem, was die Presse darüber geschrieben hat?«
    Salvisberg zuckte wieder die Schultern. »Gute Frage … Sorry, tut mir leid.«
    Der Kommissar spürte dennoch die Erleichterung.
    »Die Frau hatte einen Ionenkanaldefekt – ich habe mir die Krankenakte kommen lassen«, sagte der Pathologe, als wollte er das Verpasste nachholen. »Das ist eine eher seltene, angeborene Herzrhythmusstörung. Eine lange Leidensgeschichte, und die war auch der Grund, weshalb sie sich den Defibrillator implantieren ließ. Trotzdem …« Salvisberg streckte die Beine von sich und nestelte an einer Packung mit Nikotinkaugummis. »Ich weißnicht, was dir der Junge alles erzählt hat, von wegen Streit und so. Ich habe jedenfalls keine Spuren eines Kampfes feststellen können. Pathologisch gesehen, ist es ein klassischer Herztod.«
    »Bist du dir wirklich sicher, Kurt?«
    »Herrgott!« Salvisberg schnaufte. Er zog eine Akte mitten aus einem Stapel mit Papier und Berichten, entnahm ihr zwei Fotos und zeigte sie Eschenbach. »Die einzigen Hämatome, die man erkennen kann … hier auf Brustkorb und Armen, die sind von dir. Das ist optisch zwar nicht schön, aber weil sie post mortem zugefügt wurden, auch nicht relevant.«
    Eschenbach seufzte tief, und mit bedrückter Miene sagte er: »Vielleicht ist es zu einer fixen Idee geworden von mir, das ist möglich. Jedes Jahr gibt es im Kanton Zürich fünfzig Tötungsdelikte. Erstochen und erschlagen …«
    »Ich weiß«, hustete Salvisberg. »Überfahren, vergiftet und erschossen. Wem erzählst du das. Drum freue dich, dass hier Herzversagen vorliegt. Die häufigste Todesursache.«
    »Freuen?«, sagte der Kommissar und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Weißt du, ich würde mich eigentlich um diesen Fall gar nicht mehr kümmern … nicht persönlich jedenfalls. Könnte sagen, im schlimmsten Fall ist es Entreißdiebstahl mit anschließendem Herzinfarkt. Unglücklich, gewissermaßen. Das kann man sagen. Aber mehr nicht. Das können auch andere lösen. Ich bin nur rein zufällig dazugestoßen, als es passiert ist.«
    Salvisberg runzelte die Stirn.
    »Aber da war dieser Bub, den wir zuerst völlig übersehen haben. Stand bei der Frau, verwirrt. Schien nun niemanden mehr zu haben. Ich habe mich vor Ort um ihn gekümmert, dann Rosa – und am Ende landete er im Heim. Ist eine lange Geschichte. Jedenfalls …«
    »Und der hat etwas gesehen, hast du gesagt.«
    »Das Problem ist nur, dass er nicht wirklich spricht. Nur zwei Mal hat er etwas gesagt …« Eschenbach erzählte Salvisberg, was er dem Pathologen zuvor vorenthalten hatte. »Und dann geht’splötzlich rund. Die FIFA läuft bei uns auf, der Junge wird entführt und taucht an der Grenze in Chiasso zum Glück wieder auf. Aber alles geht schief wie bei der Pechmarie. So viel unglückliche Zufälle gibt’s in hundert Jahren nicht.«
    Salvisberg hörte kauend zu. Als der Kommissar beim Aufzählen der Zufälle etwas ins Stocken geriet

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