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Sechselauten

Sechselauten

Titel: Sechselauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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und auf seine Erinnerungslücken zu sprechen kam, sagte der Pathologe: »Schädel-Hirn-Trauma vermutlich. Hast du noch Kopfschmerzen?«
    »Nein.«
    »Schläfrig … duslig, grippig auch nicht mehr?«
    »Es geht eigentlich.« Eschenbach zog die Schultern hoch. »Vielleicht hör ich nachher auch mit dem Rauchen auf. Aber vorher will ich Antworten. Ich kann die Sache mit dem Jungen nicht einfach liegenlassen. Ich bin’s dem Kleinen schuldig.«
    Salvisberg blinzelte. »Findest du nicht, dass du dich da in etwas reinsteigerst?«
    »Das ist mir völlig schnurz. Und wenn’s der letzte Fall ist, den ich lösen werde. Ich hör nicht auf, bis ich weiß, warum das alles so gekommen ist.«
    »Vielleicht ist es ja gerade das«, sagte Salvisberg nachdenklich. »Jemand will verhindern, dass das passiert … dass du dich so verbeißt in die Sache.«
    »Auf den Gedanken bin ich auch schon gekommen.« Eschenbach sah dem Gerichtspathologen kurz in die Augen. »Würdest du mir den Bericht einmal mitgeben? Und wenn dir noch etwas einfällt, Kurt, dann ruf mich an, ja? Ich mach schon alleine weiter.«
    Salvisberg stand auf. »Nun gut«, grummelte er und drehte dabei an seinem Stuhl. »Und wenn ich dir sage, dass Kobler die Akte auch schon angefordert hat?«
    »Elisabeth Kobler?« Eschenbach hob erstaunt die Augenbrauen. Er stand nun ebenfalls auf.
    »Nicht persönlich natürlich … ihre Assistentin war’s. Aber wenn du in fünf Jahren aus der Kommandozentrale keinen einzigen Anruf kriegst, und plötzlich melden sich die?! Ich weiß ja nicht.«
    »Ich war weg, möglicherweise erklärt es das. Und Jagmetti ist im EURO- 08 -Fieber.«
    »Trotzdem komisch.« Salvisberg kaute angestrengt. »Vor allem, wenn man’s zwei Tage später in der Zeitung liest. Dazu noch eine völlige Fehlinterpretation der medizinischen Fakten.«
    »Du meinst die Fotos der Blutergüsse. Ich habe mich noch gefragt, auf welchem Weg die zu den Journalisten gekommen sind. Jetzt wird mir einiges klar.«
    »Eben.« Salvisberg rollte seine kleinen Augen, spuckte den Kaugummi in den Papierkorb und nahm einen neuen. »Da war nichts mehr zu machen. Wie schon gesagt. Weder im Positiven noch im Negativen. Nur eben schreiben hätte man es müssen.«
    Der Kommissar hatte den Vorfall wieder deutlich vor Augen.
    »Aber jetzt ist es ja vorbei. Wir haben den Leichnam freigegeben. Geht nach London, auf Wunsch der Schwester.«
    »Lara Bischoff?«
    »Ich glaube, so heißt sie.« Salvisberg schloss die Augen, als denke er nach. »Eine dunkelhaarige, große … Hast du sie nicht kennengelernt?«
    »Nicht wirklich«, sagte Eschenbach. »Schädel-Hirn-Trauma.«
    »Ach so, klar. Also die ist gleich am nächsten Tag hierhergekommen, zusammen mit ihrem Anwalt, um ihre Schwester zu identifizieren.«
    »Ach, das muss Kronenberger gewesen sein. Und hat sie etwas gesagt, ich meine, war sie wütend?«
    Salvisberg schüttelte seinen dicken Schädel. »Wenn du in einem Kühlraum bist und man zieht deine tote Schwester aus einer Schublade … Ich hab noch keinen gesehen, der dann wütend war.«
    Eschenbach nickte.
    »Sie stand einfach da, mit ihrem blassen Teint, aufrecht wie eine Alabastersäule. Sie hat sich die Tote lange angesehen. Dannist sie ihr mit der Hand übers Haar gefahren: ›Ja, das ist meine Schwester‹, hat sie gesagt. Mehr nicht. Keine Tränen, keine Fragen. Dann ist sie gegangen.«
    »Keine Emotionen also.«
    »Das würde ich nicht behaupten«, widersprach Salvisberg. »Sie hat Haltung gezeigt. Ich habe das selten so perfekt gesehen. Aber ich glaube schon, dass sie sehr traurig war. So etwas spürt man einfach.«

4
    A ls Eschenbach mit dem Taxi zurück in die Innenstadt fuhr, war es kurz vor fünf. Er war erleichtert und besorgt zugleich.
    Die Aussagen Salvisbergs zur Todesursache von Charlotte Bischoff waren so klar und eindeutig gewesen, wie er es nur selten zuvor bei einem Pathologen erlebt hatte. Kein Konjunktiv, keine Zweifel, nirgendwo. Es hatte tatsächlich so geklungen, als könnte er seine Vorwürfe nun endlich restlos begraben.
    Das sollte ihm gelingen, dachte Eschenbach. Aber für Luftsprünge reichte es nicht. Sein Unbehagen ließ sich nicht abschütteln. Vielleicht würde ein Gespräch mit dieser Lara Bischoff etwas bringen.
    Beim Weinplatz stieg er aus, ging ein Stück zu Fuß bis in die Schlüssel-Gasse. Bei Truffe kaufte er die schwarzen Schokoplättchen, die Corina so liebte. Seine Frau hatte ihn überraschend zum Essen eingeladen und gemeint: »Ich hab’s

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