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Sechselauten

Sechselauten

Titel: Sechselauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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auch, was die Koleggers sagen. Und dass sie, also die Heimleitung, die Papiere von der Polizei hatten. Und jetzt halt dich fest: von Kobler persönlich.«
    »Das gibt’s doch gar nicht«, rief Eschenbach in den Hörer. »Die machen mit uns doch den Netti …«
    »Nein«, unterbrach Jagmetti. »Ich hab mit der Chefin gesprochen. Weil ich eben auch geglaubt habe, dass die uns alle verarschen. Aber sie sagte, das sei korrekt. Sie habe diese Idee gehabt, weil die Koleggers ja so eine Art Pflegeeltern sind für den Jungen. Und das sei an und für sich keine schlechte Idee, weil nach einem solchen Schock eben Nestwärme wichtig ist.«
    Eschenbach schüttelte verärgert den Kopf: »Und woher bitte weiß Kobler das alles … Ich meine, das mit den Pflegeeltern, den Koleggers? Die konnte das doch überhaupt nicht wissen.«
    »Kronenberger habe es ihr mitgeteilt«, meinte Jagmetti. »Aber dann hat die Chefin auch noch gesagt, dass wir es diesmal besser machen und von den Koleggers die Reisepässe vorübergehend einziehen. Wenigstens so lang, bis die Sache abgeschlossen ist. Im Nachhinein ist man immer klüger, hat sie gesagt.«
    »Was heißt das jetzt?«, fragte Eschenbach ungeduldig. »Du willst mir doch nicht weismachen, dass wir Latscho …«
    »Doch«, sagte Jagmetti. »Kobler will jetzt unter die ganze Sache einen Strich ziehen. Der collateral damage ist einfach zu groß, hat sie gesagt. Keine Ahnung, was sie damit meinte. Wir ziehen unsere Leute jedenfalls in Stäfa ab und bringen den Kleinen nach Seebach zu den Fahrenden. Schließlich haben die sich vorher auch schon um den Jungen gekümmert. Sollen sie’s weiter tun. Und ohne Reisepässe werden sie auch nicht mehr ins Ausland verduften. Das ist der Plan.«
    »Koblers Plan?«
    »Ja, hab ich doch gesagt, oder?« Jagmetti machte eine Pause, dann fügte er hinzu: »Es seien schon zu viele Steuergelder verschleudert worden für eine Sache, die kaum der Rede wert ist. Herz-Kreislauf-Probleme sind die häufigste Todesursache heutzutage. Wir brauchen dich für wichtigere Dinge, hat sie gesagt.«
    »Dich oder mich?«
    »Dich hat sie gemeint. Und deine Suspendierung ist aufgehoben. Das hat sie auch gesagt. Und sie würde es dir sagen und dich anrufen. Eigentlich wundert es mich, dass sie es noch nicht getan hat.«
    »Doch, hat sie.«
    »Ach!« Jagmetti klang erstaunt, fuhr dann aber in leicht beleidigtem Ton fort: »Dann weißt du das alles ja schon und sagst nix … Und ich rede mir den Mund fusslig. Dabei hätte ich wirklich noch anderes zu tun.«
    »Ja, ich weiß«, sagte der Kommissar, nachdem er eine Weile nachgedacht hatte. »Dann lass mich das doch machen. Ich werde den Kleinen nach Seebach bringen. Das entlastet dich, und du kannst deine wertvolle Zeit dem Fußball opfern.«
    »Die EURO 08 , das ist nicht bloß Fußball – ist ein Mega-Event. Vielleicht der größte Sportanlass, den die Schweiz je …«
    »Natürlich. War nicht so gemeint«, fiel ihm der Kommissar ins Wort. »Also jetzt, gilt der Deal?«
    »Von mir aus … wenn’s dich glücklich macht«, meinte Jagmetti. »Ich werde die Leute in Stäfa instruieren. Du musst mir nur sagen, wann du hinfährst.«
    »Jetzt.«
    Nachdem er das Gespräch mit Jagmetti beendet hatte, rief Eschenbach ein Taxi. Er nutzte die Zeit, die der Wagen für die Anfahrt benötigte, für den langen Abstieg durchs Treppenhaus, vom dritten Stock hinunter bis ins Parterre. Alles ging langsam und beschwerlich; Eschenbach hätte ein Königreich gegeben für einen Lift.
    Sie fuhren über die Quai-Brücke und tuckerten entlang dem See in Richtung Zollikon. Kurz nach Goldbach nickte Eschenbach ein, und bei Stäfa, mehr als eine halbe Stunde später, riss ihn der Taxifahrer mit einer horrenden Rechnung aus dem Schlaf.
    Eschenbach rieb sich die Augen. Sie befanden sich oberhalb von Stäfa inmitten eines Weinbergs. Das Heim bestand aus zwei Häusern, die so altertümlich aussahen, als hätte Conrad Ferdinand Meyer schon über sie berichtet.
    »Säährr schään«, sagte der Fahrer, als er die Quittung ausstellte.
    Eschenbach war sich nicht sicher, ob er den Betrag oder die Aussicht meinte. Denn tatsächlich bot sich vom Hügel ein grandioser Ausblick auf den Zürichsee.
    »Sie kommen gerade rechtzeitig, es ist große Pause«, sagte der Heimleiter, der sich als Alfons Bangerter vorgestellt hatte. »Ihr Kollege hat uns bereits instruiert. Wir haben extra Kaffee und Kuchen bereitgestellt.«
    Die anfängliche Herzlichkeit schlug in Skepsis um,

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