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Sechselauten

Sechselauten

Titel: Sechselauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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Latscho ausgestiegen war,winkten sie, bis der Peugeot auf die Seestrasse einbog und verschwand. Der Kommissar atmete auf, nahm den Jungen bei der Hand. Sie waren gerade rechtzeitig gekommen. Das Motorschiff hatte bereits angelegt, und die wenigen Passagiere, die ausstiegen, kamen ihnen entgegen.
    Die Zimmerberg war kein Prachtkahn wie die Panta Rhei oder die beiden Dampfschiffe Stadt Zürich und Stadt Rapperswil, die vornehmlich im Sommer Touristen herumschipperten. Das kleine Schiff, das zwischen Stäfa, Männedorf und Wädenswil verkehrte, war ein Arbeitstier. Es tat das ganze Jahr über seinen Fährdienst, brachte Passanten von der einen auf die andere Seeseite. Es war ein Müssen, nicht Müßiggang – und dies sah man ihr auch an.
    Eschenbach saß mit Latscho an einem der Tische, sah auf den See hinaus oder musterte den mit Wolken verhangenen Himmel. »Wir fahren jetzt zur Wohnung deiner Mutter«, sagte er. Noch immer hatte er sich nicht daran gewöhnt, dass Gespräche mit dem Jungen eine Einbahnstraße waren. Nach ein paar Sätzen hörte er auf zu sprechen.
    Vom Schiffssteg in Wädenswil waren es fünf Minuten zu Fuß, bis sie in der Türgass vor dem Fachwerkhaus standen, in dem sich er und Lara vor Tagen zum ersten Mal begegnet waren. Wie es ihr wohl ergangen war? Der Kommissar sah kurz nach oben, dann klingelte er.
    Nichts tat sich.
    Eschenbach bemerkte, dass Latscho von einem Bein auf das andere trat, dann kramte er seinen Schlüsselbund aus der Hosentasche. Den Schlüssel zur Haus- und Wohnungstür hatte ihm Lara in London auf seine Bitte hin gegeben.
    Wenn es stimmte, was Lara und die Koleggers ihm erzählt hatten, musste der Kleine das Haus kennen. Die Antwort kam prompt. Eschenbach hatte die Haustür noch nicht geschlossen, da klackte es, und das Licht ging an. Neben dem Schalter standLatscho. »Klack«, sagte er, schlug mit der Hand noch zweimal auf den Lichtschalter und rannte darauf die Treppe hoch.
    Eschenbach folgte ihm. Als er oben angelangt war, brannte Feuer in seinen Trizeps, und in den Schläfen hämmerte es. Er keuchte.
    Der Junge hebelte an der Türklinke. Er hatte die richtige Wohnung gefunden. Und als Eschenbach die Tür öffnete, rannte Latscho hinein und verschwand aus Eschenbachs Blickfeld.
    Drei Schritte folgte ihm der Kommissar, dann blieb er stehen. Die Wohnung von Charlotte war leer wie eine Turnhalle.
    Irgendwo rauschte ein Spülbecken. Eine Tür ging, und Latscho kam zurück. Er nestelte am Gürtel seines Hosenbundes.
    »Alles weg«, sagte Eschenbach und sah sich weiter um.
    Man hatte ganze Arbeit geleistet. Die Einbauschränke waren leergeräumt, ebenso die Kästchen in der Küche und der Eisschrank. Es roch nach Putzmittel. In zwei Zimmern von insgesamt vier konnte Eschenbach eine hellere Färbung des Parketts erkennen. Auf einer Fläche von jeweils zwei auf zwei Metern hatten Teppiche gelegen, vermutete der Kommissar. Aber auch die waren weg. Einzig ein Besen und ein blauer Eimer standen in einer Ecke.
    Auf Schritt und Tritt folgte Latscho dem Kommissar; wenn Eschenbach stehen blieb, tat er es auch.
    »Da gibt es nicht mehr viel zu finden.« Eschenbach legte seinen Arm auf die kleinen Schultern neben ihm und drückte Latscho sanft an sich.
    Sie waren bereits wieder unten angelangt, als sich die Tür der Parterrewohnung einen Spaltbreit öffnete. Eine kleine, mollige Frau mit blonder Dauerwelle zeigte sich.
    Eschenbach hielt inne.
    »Waren Sie ganz oben?«, kam es zögerlich.
    »Ja, bei Frau Bischoff«, sagte der Kommissar.
    »Die ist tot.«
    »Ich weiß«, sagte Eschenbach. »Wir wollten eigentlich nochein paar persönliche Sachen … Nun, es scheint, das hat sich erledigt.«
    Die Tür ging nun ganz auf, und die Frau, mit großen Tigerpantoffeln und schwarzen Leggins, trat in den Flur. »Also da weiß ich auch nicht. In der Nacht vom Sechseläuten, da gab’s hier einen Radau, sage ich Ihnen. Polizei und Sanität. Alle sind rumgestiefelt im ganzen Haus. Und einer von denen ist dann noch die Treppe hinuntergefallen. Stellen Sie sich vor, die ganzen steilen Stufen hier. Ich hab’s nur gehört, weil die ja gesagt haben, es gibt nichts zu sehen und ich soll zurück in meine Wohnung.«
    Eschenbach nickte.
    »Am Dienstagmorgen, also gleich am nächsten Tag, ist dann der Möbelwagen gekommen … Also das ging ruck, zuck, sage ich Ihnen. Und mir hat man überhaupt nichts gesagt, ich meine ja nur … wo ich doch immer die Blumen gegossen habe, wenn Frau Bischoff in die Ferien

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