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Sechselauten

Sechselauten

Titel: Sechselauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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die Klappe des Walkmans öffnete und das Band einschob. Als sie die Kopfhörer zur Hand nahm, schlug er vor: »Wenn du willst, schließe ich dir das Gerät an die Anlage an, dann kannst du über die Lautsprecher hören.«
    Eine Viertelstunde später war es so weit. »Schauen wir, ob esfunktioniert«, sagte Paresh. Er drückte auf eine Taste des Walkmans. Beide standen sie erwartungsvoll davor.
    In den Boxen knackte es. Ein paar Sekunden geschah nichts, dann erfüllte eine Männerstimme den Raum: »Also wir fangen an. Schießen Sie los!«
    Lara zuckte zusammen. Wie bei der Aufnahme, die sie schon hatte, war es der rauchige Bariton ihres Vaters.
    Verwundert sah Paresh zu Lara. »Was ist das?«, fragte er.
    »Still«, sagte Lara. Sie hatte sich gerade in den Lesesessel setzen wollen, blieb nun aber wie angewurzelt stehen.
    Sie hörten Papiergeraschel.
    »Sie können jetzt sprechen«, sagte Vaters Stimme.
    Wieder raschelte es. »Ich darf es doch ablesen?«, fragte die zweite Stimme, die Lara auch schon kannte.
    Nach wenigen Sätzen war sich Lara sicher, dass es sich exakt um die Aufnahme handelte, die sie in Zürich zum ersten Mal gehört hatte.
    Das Band lief weiter: »Aus den Unterlagen und Darstellungen, die ich gefunden habe, wird ersichtlich … [Rascheln] – ich überlasse Ihnen dann das ganze Material. Ist Ihnen das recht?«
    »So haben wir es vereinbart.«
    Paresh stoppte das Band: »Was ist das, Lara?« Mit besorgter Miene sah er Lara an.
    »Mein Vater und ein Mann unterhalten sich, und dann liest der Mann diesen Bericht vor.«
    »Du weißt das alles?« Paresh schluckte.
    »Mein Gott, was denn?«, fragte Lara. Langsam löste sie sich aus der Erstarrung, ging zum Fenster und ließ sich dort in den Sessel fallen. »Ich hab das gehört, kurz bevor ich nach London zurückgeflogen bin. Charlotte hatte es mir geben wollen … eine CD in einem Kuvert. Es geht irgendwie um Fahrende.«
    »Ist das so?« Der große Mann zögerte. »Die Unterlagen, oh Gott … die Akte.« Er blickte Lara beinahe flehend an. »Ihr wart nicht deshalb im Keller, oder? Du hast diesem Eschenbach dochnicht die Akte gegeben? Das muss doch, also … wegen Charlotte.«
    »Was hat denn Charlotte damit zu tun? Ich meine, gut, sie hatte die Unterlagen, aber das war’s doch auch schon.«
    »Damit Eschenbach ein Druckmittel hat, darum ging es also … Ich meine, sonst steht der doch am Berg.«
    »Was hast du denn gegen diesen Eschenbach?«
    »Lass uns was essen gehen.«
    »Nein, du sagst mir sofort, was hier los ist.«
    »Lara, wir beide gehen jetzt was essen. Und dann erzählst du mir, was Eschenbach von dir wollte. Unterhalten wir uns in Ruhe über alles. In einer Viertelstunde hole ich dich ab. Verstau die Bänder wieder in der Kiste. Wir hören sie uns später an. Auf den vieren ist sicher mehr drauf als das, was du schon kennst.«
    Paresh verließ das Zimmer. Lara blickte ihm fragend hinterher. Dann ging sie langsam ins Bad.

2
    A ls hätte man ihn durch die Nacht gepeitscht, wachte Eschenbach am nächsten Morgen auf. Nachdem er geduscht und sich angezogen hatte, schritt er abermals seine Wohnung ab. Abgesehen vom Schlafzimmer, bot sich ihm dasselbe Bild wie am Vorabend.
    In der Küche am Boden fand er das angebrochene Paket
mit Kaffeepulver. Der Inhalt reichte für einen Espresso. Der Kommissar trank ihn schwarz; aus einer Tasse, die er in der Spülmaschine gefunden hatte und die deswegen unversehrt war.
    Dem Friedensangebot von Kobler traute er nicht über den Weg. Im Gegenteil. Sein Misstrauen hatte zugenommen, seit der Sache am Flughafen und seit man seine Wohnung auseinandergenommen hatte. Er rief Jagmetti an und erzählte ihm, was vorgefallen war.
    Der Bündner war fassungslos: »Wie kann das denn sein? Deine Wohnung?!«
    »Ja, meine.«
    Dann berichtete Jagmetti ihm nochmals von den Verhören der Koleggers. »Es ist nichts dabei herausgekommen. Ehrlich. Die haben jetzt diesen Anwalt, Dr. Waser … Ich glaub, ich hab dir das schon einmal erzählt.«
    »Von der Kanzlei Kronenberger & Graf, stimmt.«
    »Genau. Und der spricht ihnen quasi vor, was sie sagen sollen. Und jetzt behaupten die steif und fest, dass sie gar keine Papiere gefälscht hätten. Nämlich dass die Heimleitung dieDokumente schon gehabt hätte und dass der Junge ganz freiwillig mitgekommen ist.«
    Eschenbach nickte. »Und was sagen die Leute vom Heim? Die haben doch zu Protokoll gegeben, dass jemand mit Polizeipapieren den Kleinen geholt hat?«
    »Nein. Die sagen jetzt

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