Sechselauten
er Jagmetti mehr als einmal aus der Patsche geholfen, früher, als Claudio noch sein Assistent gewesen war. Und jetzt? In der Verlängerung des Spiels (oder war es nun wirklich Krieg?), wenn einem die Zeit wie Sand durch die Finger rinnt, war er nicht da. Was hatte das für einen Sinn. Eschenbach stand offside und hatte den Pfiff gehört. Ball liegen lassen und zurück auf den Posten, das war’s. Kräfte einteilen, wie Wasservorräte in der Wüste.
»Arschloch«, sagte Eschenbach, dann legte er auf. Er sammelte sich, nahm die Krücken und ging zur Tür. Der Geigenbauer, vielleicht wussten die etwas.
Mühsam kraxelte er den Weg hoch, der um das Haus herum zum Haupteingang führte. Zwischen zwei Steinplatten fand erLenzens Pfeife. Die alte Bent aus Bruyèreholz mit zerbissenem Mundstück. Eschenbach nahm sie in die Hand, musterte sie mit besorgtem Blick und steckte sie dann in seine Jackentasche.
Es hatte leicht zu regnen angefangen.
Beim Geigenbauer öffnete niemand, und im Gegensatz zu Lenz’ Wohnung war die Tür fest verschlossen.
Gesenkten Hauptes ging Eschenbach zurück. Vielleicht erreichte er etwas, wenn er die Krankenhäuser anrief. Mit diesem Gedanken watete er durch das Chaos in der Wohnung, nahm den Hörer, setzte sich und rief die Auskunft an. Er ließ sich die Rufnummern der Krankenhäuser in Zürich geben, notierte alles auf der Rückseite einer alten Restaurantrechnung, legte auf und seufzte.
Erst jetzt sah Eschenbach den Gärtner. Es war derselbe stämmige Mann, den der Kommissar von seinem letzten Besuch her kannte. Der Kommissar winkte ihn zu sich. »Kommen Sie nur, Sie sehen ja, dass hier alles etwas durcheinander ist.«
Zögerlich und mit einem Blick auf seine klobigen, schwarzen Schuhe trat der Mann in die Wohnung, rieb sich seine großen Hände und meinte nach einem kurzen Räuspern: »Sie sind doch der Freund vom Alten. Ich erinnere mich … habe Sie doch mitgenommen in dem Wagen. Vor einer Woche oder so.«
Der Kommissar nickte. »Wissen Sie, wo er ist?«
»Haben ihn abgeholt. Das war vorgestern, glaube ich. Im Krankenwagen. Hab mir schon gedacht, ist schade, gerade jetzt, wo er doch die Mühle gekauft hat.«
»Die Mühle?« Eschenbach zog die Brauen hoch. »Das Haus gehört dem Geigenbauer. Herr Lenz kümmert sich nur um den Garten.«
»Ach so«, sagte der Mann und sah wieder auf seine Schuhe. »Ich hab mir nur gedacht, weil der Herr Lenz die Rechnungen bezahlt und weil er mir’s ja gesagt hat.«
»Dass er die Mühle gekauft hat?«
»Dass sie ihm gehört, ja … Und dass wir endlich einen schönen Garten bauen, mit Seerosenteich und Buchensträuchern. Sie haben es ja gesehen. Ist bald fertig alles … und weil ich Sie gesehen habe, also da habe ich gedacht, ich frage Sie, wie’s dem Herrn Lenz so geht?«
»Wenn ich das wüsste.« Eschenbach sah den Gärtner an und dachte an Ewald. Der Kommissar wusste, wie hoch die Pension von Lenz war. Er hatte sich damals sogar dafür eingesetzt, dass es ein paar Franken mehr wurden. Aber für eine Mühle reichte es nicht. »Die Mühle also«, murmelte er und meinte dann, wieder an den Gärtner gerichtet: »Ich werde mich auf jeden Fall darum kümmern. Und wegen der Rechnungen … Nun, ich weiß nicht. Vielleicht ist es besser, Sie warten mit den restlichen Arbeiten.«
»Nein, nein.« Der Gärtner, der die ganze Zeit über wie ein Zirkuselefant von einem Bein aufs andere gewippt war, blieb stehen. »Es ist nicht wegen dem Geld, wissen Sie. Ich mach mir halt einfach Sorgen. Ist ein feiner Mensch, der Herr Lenz. Hat alles bezahlt, schon im Voraus. Und alles in bar. Das gibt’s nicht mehr oft heutzutage.«
Nachdem sich der Gärtner für den Dreck an seinen Schuhen entschuldigt und verabschiedet hatte, wusste der Kommissar nicht, was er von der ganzen Sache halten sollte.
»Herrgott, Ewald«, rief er in die leere Wohnung. Am liebsten hätte er nach etwas gesucht, das die Aussagen des Gärtners bestätigt hätte. Bankbelege zum Beispiel, ein Ordner mit der Aufschrift: Mühle oder den Briefwechsel mit einer reichen Tante in Amerika. Aber so verwüstet, wie die Wohnung war – er hätte Stunden darauf verwenden müssen.
Eschenbach entschied sich für die Krankenhäuser. Er musste Lenz finden, das war wichtiger. Die Fragen zur Mühle konnte er später klären.
Für einmal hatte er schon beim ersten Versuch Glück. Lenz lag dort, wo er auch gelegen hatte. In diesem verdammten Triemli.
Als man ihn mit dem Zimmer von Lenz verband, meldete
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