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Sechselauten

Sechselauten

Titel: Sechselauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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Informationen. Es ist das Einzige, was ich wirklich kann. Und dass es finanziell interessant werden kann, das hat mir damals Bischoff beigebracht. Mit ihm hat alles angefangen.« Lenz, der noch immer gerade auf dem Bett saß, ließ nun die Rückenlehne hochfahren und entspannte sich. »Diese Geschichte mit den Kindern der Landstrasse … da ging es um eine gute Sache. Dachte ich jedenfalls. Später hat es ganz anderes gegeben.«
    »Du machst also mit in diesem Spiel … alle gegen alle, wie du es nennst. Deshalb hast du mir das alles erzählt.« Eschenbach hatte Mühe, das, was er soeben gehört hatte, mit seinem Bild von Lenz in Einklang zu bringen. »Und ich Idiot habe geglaubt, du verdienst dir ein kleines Zubrot«, murmelte er. »Indem du dich um das Anwesen kümmerst …« Eschenbach schüttelte ungläubig den Kopf. »Dabei gehört’s dir!«
    Die beiden Freunde stritten nicht. Sie sparten sich eine Diskussion über Begriffe wie Moral und Ehre. Auch die über Bescheidenheit oder Würde. Schweigend ließen sie einen Moment sacken, was passiert war, und sahen sich stumm an, und Eschenbach dachte an die Könige, die es nicht mehr gab.
    Lenz blickte schließlich zum Fenster hinaus, hinunter auf die Stadt und den See. »Es sprach wenig dagegen«, sagte er. »Ich bin kein großer Menschenfreund …«, und mit einem Seitenblick zu Eschenbach fügte er noch hinzu: »Es gibt Ausnahmen, das weißt du, aber nicht viele.«
    »Aber du hast doch eine Pension … und bescheiden, wie du lebst, brauchst du den ganzen Zaster gar nicht. Du wärst auch so unabhängig.«
    Lenz blinzelte, und Eschenbach beobachtete, dass der Schnurrbart des Alten ein wenig zitterte, bevor die Antwort kam: »Zwei Zimmer, ein Bett, Tisch, Stuhl und …« Lenz betrachtete dieBruyère in seiner Hand. »Nur eine einzige Pfeife. Dreißig Jahre alt alles. Mindestens. Ich hab nie viel gebraucht, das ist wahr.«
    »Na also.«
    »Weißt du, es ist … das ganze Anwesen, die Mühle.« Lenz machte eine fahrige Bewegung mit der Hand. »Es ist ein Familienbetrieb, seit drei Generationen. Geigenbauer nennt sich das … machen aber auch Bratschen, Celli und Bässe. Ein feines Handwerk, du solltest mal zusehen, wie ein solches Instrument entsteht … und riechen!« Lenz sog tief Luft durch die Nase. »Einheimisches Eschenholz. Hart, und trotzdem hat’s eine Seele.«
    »Komm auf den Punkt«, sagte Eschenbach.
    Lenz zuckte zusammen und blinzelte leicht. »Vor etwa zwölf Jahren haben sie mir erzählt, sie müssten das Haus verkaufen. Sind zu mir gekommen … die ganze Familie. Die Frau hat noch geheult. Die Mühle gehöre sowieso schon der Bank, hat sie gesagt. Und der, der es kaufen wollte, plane Eigentumswohnungen. Sauteuer. Und dass sie mir helfen würden, etwas Neues zu finden … klein und bescheiden, so wie jetzt.«
    Es war eine rührende Geschichte, die der Alte ihm erzählte. Und Eschenbach zweifelte keinen Moment daran, dass Lenz die Wahrheit sagte. Einen Teil der Wahrheit wenigstens.
    »Gibt es noch etwas anderes, das du mir erzählen willst, Ewald?«
    »Es ist niemand zu Schaden gekommen«, sagte Lenz. »Niemand Anständiger, jedenfalls.«
    »Ewald, es wurde eingebrochen bei dir. Irgendwer hat deine ganze Wohnung auf den Kopf gestellt. Es wird jemand zu Schaden kommen, wenn du mir nicht sagst, was du weißt. Die Akte, Ewald. Wie ich dich kenne, hast du sie. Überleg bitte nicht zu lange.«
    »Die Kinder sollten wieder Geige spielen lernen«, murmelte Lenz. »Anstatt an diesen Playstation-Dingern zu verblöden.«
    Ewald Lenz war von Minute zu Minute blasser geworden, erschien in den Kissen zu verschwinden, und in den kleinen, wässrig-blauen Augen erkannte Eschenbach Ratlosigkeit und Erschöpfung.
    Eine Weile blieb der Kommissar noch. Er wechselte das Thema, sprach über den Seerosenteich, der Fortschritte machte, und suchte ein paar ermutigende Worte. Als er merkte, dass Lenz eingeschlafen war, ging er.
    Rosa kam kurz vor acht Uhr. Sie sah müde aus. Abgekämpft, als hätte sie einen Pflug über Äcker gezogen. Eine große Stofftasche hing über ihrer linken Schulter. Sie schien unendlich schwer.
    »Haben Sie schon etwas gegessen?« Eschenbach nahm ihr die Tasche ab. Gemeinsam gingen sie ins Wohnzimmer.
    »Es ist, wie ich befürchtet habe«, sagte Rosa und schüttelte den Kopf. Sie setzte sich auf die Couch, hievte einen Stoß Papier aus der Tasche auf den Clubtisch und schnaufte.
    »Haben Sie das aus dem Büro?«
    »Von zu Hause«, sagte sie und

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