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Secondhand-Zeit: Leben auf den Trümmern des Sozialismus (German Edition)

Secondhand-Zeit: Leben auf den Trümmern des Sozialismus (German Edition)

Titel: Secondhand-Zeit: Leben auf den Trümmern des Sozialismus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Swetlana Alexijewitsch
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gefährlicher Augenblick, Russland hätte nicht so lange erniedrigt werden dürfen.«
Von der Gegenwart
     
    »Putins Nullerjahre … Wie waren sie? Wolkenverhangen … grau … brutal … tschekistisch … glamourös … stabil … imperial … orthodox …«
     
    »Russland war, ist und bleibt ein Imperium. Wir sind nicht nur ein großes Land, wir sind eine besondere russische Zivilisation. Wir haben unseren eigenen Weg.«
     
    »Der Westen hat noch immer Angst vor Russland …«
     
    »Unsere Bodenschätze brauchen alle, besonders Europa. Schauen Sie ins Lexikon: Mit unseren Erdölvorkommen stehen wir an siebter, mit unseren Gasvorkommen an erster Stelle in Europa. Ganz vorn stehen wir auch bei Eisenerz, Uran, Zinn, Kupfer, Nickel, Kobalt … Und Diamanten, Gold, Silber, Platin … Wir haben das komplette mendelejewsche Periodensystem. Ein Franzose hat sogar mal zu mir gesagt: ›Warum gehört das alles euch, die Erde gehört doch allen?‹
     
    »Ja, ich bin nun mal ein Imperialist. Ich möchte in einem Imperium leben. Putin ist mein Präsident! Sich liberal zu nennen ist heute peinlich, genauso wie es vor kurzem noch peinlich war, sich Kommunist zu nennen. Dafür kann man von den Männern am Bierstand eins in die Fresse kriegen.«
     
    »Ich hasse Jelzin! Wir haben ihm vertraut, und er hat uns in eine völlig unbekannte Richtung geführt. Keineswegs in ein demokratisches Paradies. Sondern dahin, wo es noch schlimmer ist als vorher.«
     
    »Es liegt nicht an Jelzin oder Putin, sondern daran, dass wir Sklaven sind. Sklavenseelen! Sklavenblut! Nimm nur den ›neuen Russen‹ … Er steigt aus einem Bentley, hat die Taschen voller Geld, aber er ist ein Sklave. Über ihm sitzt ein Pachan XXXIII , und wenn der sagt: ›Ab in den Stall‹, kuscht er.«
     
    »Neulich im Fernsehen … ›Hast du eine Milliarde?‹, hat Herr Polonski gefragt. ›Nein?! Dann leck mich am Arsch!‹ Ich gehöre zu denen, die den Herrn Oligarchen am Arsch lecken können. Ich komme aus einer ganz normalen Familie: Mein Vater ist ein Säufer, meine Mutter schuftet im Kindergarten für lächerliche Kopeken. Wir sind für die Scheiße, ein Dreck. Ich gehe zu verschiedenen Versammlungen. Zu den Patrioten, den Nationalisten … Ich höre zu. Eines Tages drückt mir irgendwer bestimmt ein Gewehr in die Hand. Und ich werde es nehmen.«
     
    »Der Kapitalismus wird bei uns nicht heimisch werden. Der ›Geist des Kapitalismus‹ ist uns fremd. Über Moskau hinaus hat er sich nicht verbreitet. Das Klima ist nicht danach. Und der Mensch auch nicht. Der Russe ist nicht rational, nicht merkantil, er kann das letzte Hemd hergeben, aber er kann es auch stehlen. Er ist spontan und eher Beobachter als aktiv Handelnder, er kann mit wenigem zufrieden sein, das Raffen ist nicht sein Ideal, das langweilt ihn. Er hat einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit. Ein Bolschewiken-Volk. Außerdem will der Russe nicht einfach so leben, er will für etwas leben. Er möchte an etwas Großem beteiligt sein. Bei uns findet man eher Heilige als Ehrliche und Erfolgreiche. Lesen Sie die russische Klassik …«
     
    »Warum fügen sich unsere Leute, wenn sie ins Ausland gehen, ganz normal in das kapitalistische Leben ein? Zu Hause aber reden sie gern von der ›souveränen Demokratie‹, von einer besonderen russischen Zivilisation und davon, dass ›das russische Leben keine Basis für den Kapitalismus‹ sei.«
     
    »Bei uns herrscht ein falscher Kapitalismus …«
     
    »Vergessen Sie die Hoffnung auf einen anderen Kapitalismus …«
     
    »In Russland herrscht zwar irgendwie Kapitalismus, aber es gibt keine Kapitalisten. Keine neuen Demidows oder Morosows 3 … Die russischen Oligarchen, das sind keine Kapitalisten, das sind einfach Diebe. Was für Kapitalisten können aus ehemaligen Kommunisten und Komsomolzen schon werden? Mir tut Chodorkowski nicht leid. Soll er ruhig auf einer Gefängnispritsche sitzen. Schade nur, dass er als Einziger dort sitzt. Irgendjemand müsste sich doch dafür verantworten, was ich in den Neunzigern durchgemacht habe. Bis aufs Hemd haben sie mich ausgeraubt. Mich arbeitslos gemacht. Die kapitalistischen Revolutionäre: Gaidar, dieser eiserne Pu der Bär … der rothaarige Tschubais … Sie haben mit lebendigen Menschen herumexperimentiert …«
     
    »Ich war im Dorf bei meiner Mutter. Die Nachbarn erzählten, irgendwer habe eines Nachts den Hof eines Farmers in Brand gesteckt. Die Menschen konnten sich retten … die Tiere sind verbrannt

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