Secondhand-Zeit: Leben auf den Trümmern des Sozialismus (German Edition)
Bann …«
»Ganz ruhig, Genosse. Wissen Sie, heute wird viel besser von der UdSSR geredet als vor zwanzig Jahren. Ich war kürzlich an Stalins Grab, da lagen Berge von Blumen. Rote Nelken.«
»Weiß der Teufel wie viele Menschen wurden umgebracht, aber angeblich war das unsere große Zeit.«
»Was heute ist, gefällt mir nicht, ich bin davon nicht begeistert. Aber in die Sowok will ich auch nicht zurück. Ich sehne mich nicht nach der Vergangenheit. Ich kann mich leider an nichts Gutes erinnern.«
»Ich will zurück. Ich will nicht die sowjetische Wurst zurück, ich will das Land zurück, in dem der Mensch Mensch war. Früher hieß es ›die einfachen Menschen‹, heute ›das gemeine Volk‹. Spüren Sie den Unterschied?«
»Ich bin in einer Dissidentenfamilie aufgewachsen … In einer Dissidentenküche … Meine Eltern waren mit Sacharow bekannt, haben Samisdat-Literatur verbreitet. Ich habe zusammen mit ihnen Wassili Grossman gelesen, Jewgenija Ginsburg, Dowlatow … Habe Radio Swoboda gehört. 1991 stand ich natürlich mit ihnen in der Menschenkette vor dem Weißen Haus, ich war bereit, mein Leben dafür zu opfern, dass der Kommunismus nicht zurückkommt. Keiner meiner Freunde war Kommunist. Der Kommunismus, das hieß für uns Terror, Gulag. Käfig. Wir dachten, er wäre tot. Für immer tot. Zwanzig Jahre sind vergangen … Ich komme ins Zimmer meines Sohnes und sehe: Auf seinem Tisch liegt Das Kapital von Karl Marx, im Bücherregal steht Mein Leben von Trotzki … Ich traue meinen Augen nicht! Marx kehrt zurück? Was ist das – ein Albtraum oder real? Mein Sohn studiert an der Universität, er hat viele Freunde, und ich höre ihren Gesprächen zu. Sie sitzen in der Küche, trinken Tee und streiten über das Manifest der kommunistischen Partei … Der Marxismus ist wieder in, er ist Trend, ist eine Marke. Sie tragen T- Shirts mit Bildern von Che Guevara und von Lenin. (Verzweifelt.) Nichts hat Früchte getragen. Alles war umsonst.«
»Zur Entspannung mal ein Witz … Es ist Revolution. In einer Ecke der Kirche saufen und amüsieren sich Rotarmisten, in einer anderen fressen ihre Pferde Hafer und pissen. Der Diakon läuft zum Priester: ›Vater, was treiben sie im heiligen Tempel?‹ ›Das ist nicht so schlimm. Sie bleiben eine Weile und gehen wieder. Schlimm wird es, wenn ihre Enkel groß sind.‹ Nun sind sie groß …«
»Für uns gibt es nur einen Ausweg – zurück zum Sozialismus, aber zu einem rechtgläubigen Sozialismus. Russland kann nicht ohne Christus leben. Für den Russen hatte Glück nie mit großem Geld zu tun. Das unterscheidet die ›russische Idee‹ vom ›amerikanischen Traum‹.«
»Russland braucht keine Demokratie, sondern eine Monarchie. Einen starken und gerechten Zaren. Und die erste rechtmäßige Anwärterin auf den Thron ist das Oberhaupt des russischen Kaiserhauses, Großfürstin Maria Wladimirowna, und dann ihre Nachkommen.«
»Beresowski hat Prinz Harry vorgeschlagen …«
»Monarchie – Blödsinn … das ist uralter Quatsch …«
»Ein ungläubiges Herz ist schwach und anfällig für die Sünde. Das russische Volk wird sich durch die Suche nach der Wahrheit Gottes erneuern.«
»Die Perestroika gefiel mir, als sie anfing. Hätte uns damals jemand gesagt, dass ein KGB -Oberst Präsident unseres Landes wird …«
»Wir waren auf die Freiheit nicht vorbereitet …«
»Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – mit diesen Worten wurde ein Meer von Blut vergossen.«
»Demokratie! Ein lächerlicher Begriff für Russland. Putin, der Demokrat – das ist der kürzeste Witz.«
»In diesen zwanzig Jahren haben wir viel über uns selbst erfahren. Vieles entdeckt. Wir haben erfahren, dass Stalin unser heimlicher Held ist. Dutzende Bücher und Filme über Stalin sind erschienen. Die Leute lesen und sehen das. Streiten darüber. Das halbe Land träumt von Stalin … Wenn das halbe Land von Stalin träumt, wird er eines Tages kommen, da können Sie sicher sein. Alle üblen Toten wurden aus der Hölle gezerrt: Berija, Jeschow … Über Berija heißt es jetzt, er sei ein begabter Verwalter gewesen, er soll rehabilitiert werden, weil unter seiner Leitung die russische Atombombe gebaut wurde …«
»Nieder mit den Tschekisten!«
»Wer kommt als Nächstes – ein neuer Gorbatschow oder ein neuer Stalin? Oder das Hakenkreuz? › Sieg Heil !‹ XXXII Russland hat sich von den Knien erhoben. Das ist ein
Weitere Kostenlose Bücher