S.E.C.R.E.T. 1
zahlreichen Anhängern. Es war ein ungewöhnliches Stück in hellem, mattiertem Gold. Auf der Vorderseite der Charms erkannte ich römische Ziffern, die Rückseite zierten Worte, die ich nicht lesen konnte. Es gab etwa ein Dutzend davon. Auch der Mann schien von diesem Schmuckstück fasziniert zu sein. Er fuhr mit den Fingern durch die Charms, während er ihr Handgelenk und die Unterarme mit beiden Händen liebkoste. Seine Berührung war fest und besitzergreifend. Bei diesem Anblick bekam ich einen Kloß im Hals, und ein warmes Gefühl breitete sich hinter meinem Bauchnabel aus.
Fünf Jahre.
»Bitte sehr«, piepste ich. Meine Stimme klang eine ganze Oktave höher als sonst. Ich ließ die Rechnung auf den Tisch gleiten, wobei ich darauf achtete, ihre Arme nicht zu berühren.
Meine Anwesenheit schien sie völlig zu überraschen. »Oh, Danke!«, sagte die Frau und richtete sich auf.
»Waren Sie zufrieden?«, fragte ich. Warum fühlte ich mich in ihrer Gegenwart nur so gehemmt?
»Alles war perfekt wie immer«, antwortete sie.
»Es war großartig, danke«, fügte der Mann hinzu und suchte nach seiner Brieftasche.
»Das übernehme jetzt ich. Du bezahlst immer.« Die Frau lehnte sich zur Seite, zog ihre Kreditkarte aus der Handtasche und reichte sie mir. Ihr Armband funkelte, als sie sich bewegte. »Bitte sehr, meine Süße.«
Sie war im gleichen Alter wie ich und nannte mich »meine Süße«? Na ja, sie war so selbstbewusst, dass ich es ihr durchgehen ließ. Als ich die Karte entgegennahm, meinte ich, so etwas wie Besorgnis in ihren Augen zu lesen. Hatte sie die schmutzige, braune Bluse bemerkt, die ich bei der Arbeit immer trug, weil Flecken von Speiseresten darauf nicht so auffielen? Plötzlich wurde mir bewusst, wie ich aussah. Mir fiel auch ein, dass ich kein Make-up trug. Oh Gott, und meine Schuhe – braun und flach. Keine Strümpfe, Socken, man glaubt es kaum. Was war mit mir geschehen? Wann hatte ich mich vorzeitig in eine Vogelscheuche mittleren Alters verwandelt?
Mein Gesicht brannte, als ich mich abwandte, während ich die Karte in meine Schürzentasche stopfte. Ich lief geradewegs zu den Toiletten, um mir kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen. Dann strich ich die Schürze glatt und betrachtete mich im Spiegel. Meine Güte, ich trug halt braune Kleidung, weil sie am praktischsten war! Ein Kleid wäre hier absolut nicht angemessen gewesen. Ich bin nun mal Kellnerin. Und was meinen unordentlichen Pferdeschwanz betraf – ich musste das Haar zurückkämmen. Das ist im Umgang mit Lebensmitteln eine wichtige Regel. Okay, wahrscheinlich hätte ich es ordentlicher machen können, statt es schlampig mit einem Haargummi zusammenzufassen wie einen Strauß Spargel. Meine Schuhe sahen außerdem aus wie die einer Frau, die nicht allzu viele Gedanken an ihre Füße verschwendet – auch wenn man mir schon tausendmal erzählt hatte, wie schön meine waren. Ja, es stimmt, dass ich am Abend vor meiner Hochzeit meine letzte professionelle Maniküre hatte. Mittlerweile betrachtete ich so was als Geldverschwendung.
Wie hatte ich es so weit kommen lassen können? Ich hatte mich gehen lassen. Fünf Jahre lag erschöpft vor der Tür zu den Toiletten. Ich kehrte mit der Quittung zum Tisch zurück und mied jeden Augenkontakt mit beiden.
»Arbeiten Sie schon lange hier?«, fragte der Mann, während die Frau ihre Karte wieder einsteckte.
»Ungefähr fünf Jahre.«
»Sie sind sehr gut in Ihrem Job.«
»Danke.« Ich spürte, wie mein Gesicht ganz heiß wurde.
»Bis nächste Woche also«, sagte die Frau. »Wir lieben dieses alte Café einfach.«
»Na ja, es hat schon bessere Tage gesehen.«
»Für uns ist es perfekt«, fügte sie hinzu, gab mir den Bon zurück und zwinkerte ihrem Partner zu.
Ich betrachtete ihre Unterschrift in der Erwartung, einen blumigen, interessanten Namen zu lesen. Pauline Davis . Das klang eher simpel, und die Schrift war klein, was mich in diesem Augenblick geradezu beruhigte.
Ich starrte den beiden hinterher, wie sie das Lokal verließen, an den Tischen vorbei nach draußen, wo sie sich küssten und in verschiedene Richtungen verschwanden. Als sie am Fenster vorbeiging, warf die Frau mir einen letzten Blick zu und winkte. Wahrscheinlich sah ich aus wie eine Idiotin, wie ich so dastand und sie mit offenem Mund angaffte. Kleinlaut erwiderte ich ihr Winken durch die schmutzige Scheibe.
Eine ältere Frau, die am Nebentisch saß, riss mich aus meiner Trance. »Die Dame hat etwas fallen lassen«, sagte
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