Security
Tischmanieren waren unbeschreiblich schlecht. Er schnitt nicht etwa Scheiben von dem kalten Rinderbraten ab, sondern riß mit seinen großen Händen brutal Stücke heraus. Ein großes Stück Cheddarkäse packte er einfach mit einer seiner Pranken und nagte daran herum, so daß zahllose Krümel von seinen dicken Lippen auf den Tisch fielen. Während er aß, schüttete er zwei Flaschen Bier in sich hinein. Ein Teil davon lief an seinem Kinn hinunter. Oben: die Prinzessin schlafend auf ihrem Bett. Unten: der stiernackige, bucklige, knurrende Troll beim Abendessen.
Ansonsten war es ruhig im Schloß, derweil die Nacht sich allmählich ihrem Ende neigte. Bald würde die Morgendämmerung heraufziehen.
Fünfzehn
Nachdem Shenk sein Mahl beendet hatte, zwang ich ihn, die von ihm angerichtete Schweinerei wieder zu beseitigen. Ich bin ein ordnungsliebendes Wesen. Er mußte zur Toilette.
Ich erlaubte es ihm.
Danach ließ ich ihn seine Hände waschen. Zweimal. Jetzt, nachdem ich Shenk für seine zunehmende Aufsässigkeit angemessen bestraft und dann für seine Kapitulation liebenswürdig belohnt hatte, hielt ich es für ungefährlich, ihn wieder nach oben gehen zu lassen, damit er Susan sorgfältig ans Bett fesseln konnte. Ich stand vor folgendem Dilemma: Shenk mußte das Haus verlassen, um einige letzte Besorgungen für mich zu erledigen. Danach sollte er die Arbeit im Inkubatorraum beenden. Doch aufgrund von Susans Selbstmorddrohung konnte ich ihr keine Bewegungsfreiheit zugestehen.
Es war nicht mein Wunsch, ihr Fesseln anzulegen.
Ist es das, was Sie denken?
Nun, da liegen Sie falsch.
Ich bin nicht abartig veranlagt. Gefesselte Frauen erregen mich nicht.
Daß Sie mir derartige Beweggründe unterstellen, ist höchstwahrscheinlich die Folge einer psychologischen Übertragung Ihrer eigenen Wünsche auf mich. Sie hätten sie gerne an Händen und Füßen gefesselt, um sie vollends zu beherrschen, und deshalb gehen Sie davon aus, auch ich hätte diese Absicht hegen müssen. Prüfen Sie Ihr Gewissen, Alex.
Ihnen wird nicht gefallen, was Sie dort entdecken, aber schauen Sie trotzdem mal genau hin.
Es war schlicht und einfach erforderlich, Susan zu fesseln – nicht mehr und nicht weniger.
Zu ihrer eigenen Sicherheit.
Natürlich bedauerte ich diese Notwendigkeit, aber es gab keine brauchbare Alternative.
Sie hätte sich andernfalls etwas antun können.
Ich konnte ihr nicht erlauben, sich etwas anzutun.
So einfach ist das.
Ich bin mir sicher, Sie können diese Logik nachvollziehen.
Auf der Suche nach einem Seil schickte ich Shenk in die benachbarte Garage, die bis zu achtzehn Autos Platz geboten hätte. Susans Vater, Alfred, hatte dort ursprünglich seine Oldtimersammlung untergebracht. Jetzt standen hier nur noch Susans schwarze 600er-Mercedes-Limousine, ihr weißer Ford Expedition mit Allradantrieb sowie ein 1936er V-12 Packard Phaeton.
Von diesem Modell wurden nur drei Exemplare gebaut. Es ist der Lieblingswagen ihres Vaters gewesen. Obwohl Alfred Carter Kensington ein reicher Mann gewesen war, der sich alle materiellen Wünsche hätte erfüllen können, und obwohl er viel wertvollere Antiquitäten als den Packard sein eigen genannt hatte, war ihm dieser Wagen immer der liebste gewesen. Er hatte ihn über alle Maßen geschätzt.
Nach Alfreds Tod hatte Susan seine Sammlung verkauft und nur dieses eine Fahrzeug behalten. Dieser Phaeton, wie auch die anderen beiden Exemplare, die sich zur Zeit ebenfalls in privater Hand befinden, ist ursprünglich ein außerordentlich schönes Automobil gewesen. Doch er würde nie wieder bewundernde Blicke auf sich ziehen.
Nach dem Tod ihres Vaters hatte Susan alle Scheiben des Autos eingeschlagen. Sie zerkratzte den Lack mit einem Schraubenzieher. Sie beschädigte die elegant geformte Karosserie durch unzählige Schläge mit einem Hammer – später sogar mit einem Vorschlaghammer. Sie zertrümmerte die Scheinwerfer. Zerstörte mit einem elektrischen Bohrer die Reifen. Schlitzte die Polster auf. Im Laufe von einem Dutzend Anfällen hemmungsloser Zerstörungswut verwandelte sie den Phaeton innerhalb eines Monats methodisch in einen Haufen Schrott. Manche der Ausbrüche dauerten nur zehn Minuten. Andere erstreckten sich über vier oder fünf Stunden und endeten erst dann, wenn sie schweißgebadet war, jeder Muskel schmerzte und sie vor Erschöpfung zitterte. Das alles fand statt, bevor sie die VR-Therapie entwarf, die ich vorhin beschrieben habe.
Falls sie
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