See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)
letzten Stunde nur verschwommen erinnern. Nur an der Einrichtung erkannte er, dass er sich im Wohnzimmer von Ellens Haus befinden musste.
Er sah sich genauer um. Der Boden unter ihm schien zu schwanken, und wieder übermannte ihn eine Welle der Übelkeit, aber er drängte sie zurück und richtete sich mühsam auf, bis er zum Sitzen kam.
Plötzlich entdeckte er in einem der Sessel eine reglose Gestalt. Entsetzt erkannte er, dass es sich um Tess handelte. Sie saß völlig bewegungslos da. Ihr Kopf war nach vorn gesunken, die gefesselten Hände lagen auf ihren Knien.
»Tess!«, schrie er panisch. »Tess, wach auf!«
Doch sie rührte nicht. Er hoffte inständig, dass sie nur bewusstlos war.
Währenddessen hatten die Flammen die Vorhänge des Wohnzimmerfensters erreicht. Mit einem grellen Leuchten loderten sie auf. Im Raum wurde es beinahe unerträglich heiß.
Voller Panik dachte Ryan nach. Wenn er sich mit irgendetwas die Fesseln aufschneiden könnte, wäre es vielleicht möglich, noch rechtzeitig mit Tess aus dem Haus zu kommen. Er sah sich um, entdeckte aber weder eine Schere noch ein Messer.
So schnell er konnte, bewegte er sich robbend und kriechend über den Boden in Richtung Küche. Dort würde er bestimmt ein Messer finden.
Doch inzwischen wurde nicht nur die Hitze schlimmer, auch der Rauch wurde immer dichter. Er sah nicht mehr richtig und verlor langsam die Orientierung. Zudem verschwamm sein Blick durch seine Kopfverletzung. Wieder begann sich alles um ihn herum zu drehen.
Dann wurde ihm schwarz vor Augen. Bewusstlos sank er auf dem Boden in sich zusammen.
52. Kapitel
Mit aller Kraft trat Greg gegen die Haustür. Das Holz knackte laut, aber noch gab es nicht nach. Drinnen wurde das Flackern immer heller. Es blieb nicht mehr viel Zeit.
Wieder trat er zu. Diesmal hatte er mehr Erfolg. Auf der Höhe des Schlosses splitterte die Tür, ein tiefer, klaffender Riss zeigte sich im Holz. Beim nächsten Tritt flog die Tür mit einem lauten Krachen nach innen.
»Oh nein, ist noch jemand im Haus?«, hörte Greg plötzlich eine Stimme hinter sich. Er fuhr herum. Auf der Veranda stand Kate Reynolds und starrte mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen durch die leere Türöffnung in die Flammen. Greg hatte vorher gehört, dass ein Auto angekommen und eine Tür zugeschlagen worden war, hatte aber nicht weiter darauf geachtet. Seine ganze Konzentration hatte der Haustür gegolten.
»Tess ist da drin«, stieß er hervor.
Ohne weiter darüber nachzudenken, atmete er einmal tief durch und rannte ins Haus. Eine Welle heißer, flirrender Luft schlug ihm entgegen. Es war, als ob er gegen eine Wand prallte.
Der Rauch war inzwischen ziemlich dicht, die Einrichtung des Zimmers war nur noch schemenhaft zu erkennen. Trotzdem entdeckte er Tess recht schnell. Er lief zu dem Sessel, in dem sie saß, schob ihr einen Arm unter die Knie, den anderen unter ihren Rücken und hob sie hoch. So flach wie möglich atmend trug er sie durch die Haustür hinaus ins Freie.
In einigem Abstand vom Haus legte er sie behutsam auf den Rasen. Obwohl sein Hals kratzte und ein beinahe unerträglicher Hustenreiz in ihm aufstieg, hielt er die Luft an und senkte sein Ohr direkt über ihren Mund. Gott sei Dank, sie lebt noch! , dachte er, als er ihren schwachen, aber regelmäßigen Atem hörte.
Auch Kate war hinter Greg in das brennende Haus gelaufen. Als sie versucht hatte, sich in dem Zimmer zu orientieren, wäre sie fast über Ryan gestolpert. Er lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Holzfußboden, nur wenige Meter von der Tür entfernt. Mühsam drehte sie ihn auf den Rücken, setzte ihn ein Stück auf und schlang ihm die Arme von hinten um die Brust. In einer Mischung aus Tragen und Schleifen bewegte sie ihn über die Holzdielen in Richtung der Tür.
Das Feuer wurde durch die Luft, die durch die eingetretene Haustür drang, zusätzlich angefacht. Funken stoben auseinander, als die verbrannten Beine von Ellens Kommode nachgaben und das Möbelstück nach vorn kippte.
Eine Welle unerträglicher Hitze schlug Kate entgegen. Sie hatte keine Kraft mehr. Das Zimmer war inzwischen so voller Rauch, dass sie meinte, ersticken zu müssen. Sie hustete, versuchte aber trotzdem, Ryan weiter in Richtung der Tür zu ziehen.
Obwohl sie all ihre Kraft zusammennahm, ließ sich der schlaffe Körper kaum noch weiterbewegen. Wie in Zeitlupe zog sie ihn Zentimeter um Zentimeter über die Holzdielen. Das schaffen wir nicht, wir werden hier verbrennen! , schoss
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