See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)
Hund angeschlagen hatte.
Drei weitere Männer standen herum, während der Hundeführer versuchte, das aufgeregt hechelnde Tier zu beruhigen.
»Da vorn ist es«, sagte der Deputy überflüssigerweise und deutete mit einer Handbewegung in Richtung der Männer. Während er zurückblieb, stapfte der Sheriff weiter. Er sah in die Gesichter der anderen, die betroffen schwiegen. Also holte er einmal tief Luft und machte sich auf das Schlimmste gefasst.
Nach ein paar Schritten gelangte er an die angegebene Stelle. Anscheinend hatte der Hund hier kräftig gescharrt, war dann aber von Chris Turner weggezogen worden. Der Erdboden wies deutliche Kratzspuren auf.
Oberlander sah sofort, warum bei den Männern einer derartige Betroffenheit herrschte: Aus dem aufgegrabenen Untergrund ragte deutlich erkennbar ein menschlicher Kieferknochen heraus, in dem eine Reihe gleichmäßiger, gelblich-weißer Zähne stand. Darüber starrten ihm zwei leere Augenhöhlen düster entgegen.
Sheriff Oberlander merkte, dass ihm die Knie weich wurden. Unwillkürlich fasste er nach einem tief hängenden Ast des Baumes, neben dem er stand. Er atmete hörbar aus.
Nicht der Anblick des Skeletts machte ihm zu schaffen. Er hatte in seiner Laufbahn als Polizist weit Schlimmeres zu Gesicht bekommen. Dieses Bild würde ihn nicht in seinen Träumen verfolgen.
Was ihm den Schweiß auf die Stirn trieb, war die Erkenntnis, dass in seinem Bezirk ein Serienmörder sein Unwesen trieb.
Scheinbar geistesabwesend starrte er auf den Totenschädel, während ein Gedanke in ihm aufstieg und ihn nicht mehr losließ: Der Rest seiner Dienstzeit würde alles andere als ruhig werden.
32. Kapitel
Es begann gerade dunkel zu werden, als Tess und Ryan Ellens Haus erreichten. Sie hatten zusammen im Lakeview Inn gegessen und dann beschlossen, bei Tess noch eine Flasche Wein zu trinken. Dort hatten sie wesentlich mehr Privatsphäre.
»Die neugierigen Blicke um uns herum haben mich ganz schön genervt«, beklagte sich Tess, während sie die Tür aufschloss. »Als hätten die Leute nichts anderes zu tun, als sich über uns die Mäuler zu zerreißen«.
Ryan lachte. »Wahrscheinlich haben sie das wirklich nicht. Zumindest haben wir ihnen einen schönen und aufregenden Abend beschert.«
»Und neuen Gesprächsstoff«, seufzte Tess. »Wieder einmal.«
Sie betrat das Haus und knipste das Licht ein. »Ich bin mir sicher, dass uns morgen ganz Shadow Lake für ein Paar hält.«
»Was soll`s?« Ryan zuckte die Achseln. »Mir ist mit Sicherheit schon Schlimmeres nachgesagt worden.«
»So? Was denn?«, erkundigte sich Tess mit einem schelmischen Lächeln.
Ryan zeigte ein breites Grinsen. »Glaub mir, das willst du gar nicht wissen.« Dann wurde er wieder ernst. »Ganz ehrlich, es stört mich nicht, was die Leute hier über mich denken. Ich habe nie etwas mit ihnen zu tun gehabt und habe auch nicht vor, mich mit irgendjemandem hier im Ort näher anzufreunden. Aber bei dir sieht das sicher anders aus. Immerhin ist Shadow Lake dein Heimatort.«
Tess überlegte einen Moment, dann schüttelte sie entschieden den Kopf. »Das ist Vergangenheit. Ich gebe ja zu, ich habe mir schon einmal geschworen, nie wieder hierher zu kommen. Aber diesmal ist es etwas anderes. Wenn wir endlich herausgefunden haben, was wirklich passiert ist, werde ich zurück nach San Francisco gehen und niemals, niemals wieder auch nur in die Nähe dieses verdammten Sees kommen. Also sollte es mir eigentlich auch egal sein, was die Leute hier über mich reden. Aber ehrlich gesagt fühle ich mich trotzdem nicht besonders wohl, wenn ich im Mittelpunkt der Tratschereien stehe.«
Nachdem die beiden ihre Jacken ausgezogen und an die Garderobe neben der Tür gehängt hatten, holte Tess zwei Weingläser aus dem Küchenschrank und öffnete die Weinflasche. Ryan machte es sich inzwischen auf dem Sofa bequem.
Sie hatten beschlossen, das Thema Todesliste und alles, was damit zu tun hatte, für diesen Abend ruhen zu lassen. Besonders Tess hatte das Gefühl, dringend einmal abschalten zu müssen.
Ryan fiel es nicht schwer, sie auf andere Gedanken zu bringen. Er erzählte lustige Anekdoten aus seiner Schulzeit und berichtete augenzwinkernd über besonders schwierige Kunden seines Architekturbüros. Tess revanchierte sich mit Geschichten aus ihrer Collegezeit.
Die beiden lachten und alberten ausgelassen herum, und Tess dachte gerade, dass es der erste Abend seit Ellens Tod war, an dem sie sich richtig wohlfühlte, als es
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