See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)
auf stur gestellt und gleich alles abgeblockt. Sie wollte mir nicht einmal zuhören. Und dann war da plötzlich dieses Messer. Es war irgendwie merkwürdig, ich hätte nie gedacht, dass es so leicht ist, einen Menschen zu töten. Naja, und dass Jared gleich als Sündenbock herhalten musste, kam mir natürlich sehr entgegen.«
Tess hatte inzwischen Mühe, die Augen offen zu halten. »Was hast du mit ihm gemacht?«, stieß sie angestrengt hervor.
Shannon ignorierte die Frage. »Weißt du, was das eigentlich Ironische am Mord an Joanna war?« Sie lachte kurz auf. »Justin war an diesem Abend allein. Er hatte Angst, dass seine heimlichen Treffen mit Joanna herauskommen könnten und er dann als Verdächtiger dasteht. Deshalb hat er mich gebeten, ihm ein Alibi zu geben. Das habe ich natürlich getan, und so hatte ich auch gleich eins. Alle dachten, wir wären den ganzen Abend zusammen gewesen.«
Ihre Miene versteinerte sich. »Aber kaum war Joanna weg, begann Justin mit Millie Walls zu flirten – ausgerechnet Millie! Diese asoziale Schlampe. Immer wieder ist er zu ihr ins Lakeview Inn gegangen. Er hat mehr Zeit mit ihr verbracht als mit mir. Also bin ich zu ihr nach Hause gegangen. Ich wusste, dass ihre Eltern für ein paar Tage weggefahren waren. Als sie eine Cola für mich aus dem Kühlschrank holen wollte, habe ich ihr von hinten das Springseil um den Hals gelegt und zugezogen. Es war erstaunlich einfach! Und Millie war so überrascht, dass sie sich kaum gewehrt hat.« Sie verzog ihr Gesicht zu einem diabolischen Grinsen. »Du musst zugeben, meine Idee, ein paar Sachen von ihr verschwinden zu lassen, war wirklich genial. So dachte jeder, Millie wäre einfach aus Shadow Lake abgehauen.«
Dann machte Shannon plötzlich ein erstauntes Gesicht, als käme sie gerade auf einen abwegigen Gedanken. »Aber was Claire Meyers angeht, tappst du total im Dunkeln. Sie wirklich ertrunken, einfach so, ganz ohne dass ich nachhelfen musste. Anscheinend war sie nach dem College nicht besonders gut in Form.«
Sie runzelte die Stirn und warf einen Blick zu Tess hinüber, die immer noch darum kämpfte, wach zu bleiben. »So, dann muss ich mir jetzt wohl überlegen, was ich jetzt mit dir mache.«
Shannon nahm ihre Tasche, die neben ihr auf dem Sofa gelegen hatte, und kramte darin herum. Dann zog sie eine Rolle mit breitem Klebeband hervor und kam damit auf Tess zu.
Tess versuchte in Panik, vor ihr zurückzuweichen, aber sie hatte jegliche Kontrolle über ihren Körper verloren.
Shannon schien die Situation zu genießen. Sie blieb vor Tess stehen und sah spöttisch auf ihre ehemalige Freundin herab, die hilflos vor ihr im Sessel zusammengesunken war. »Weißt du, eigentlich bist du ja selbst schuld an deiner Situation«, bemerkte sie. Ihr Ton war so unbefangen, als plaudere sie über das Wetter. »Du hättest ja einfach nur deine Tante beerdigen und dann wieder aus Shadow Lake verschwinden können. Aber nein, du musstest ja überall herumschnüffeln. Und dass dieser blöde MacIntyre dir noch geholfen hat, war natürlich besonderes Pech. Wäre er nicht gewesen, hätte die kleine Steinlawine am Seeufer dich ganz schnell erledigt.« Sie verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. Über ihrer Nasenwurzel bildete sich eine tiefe Furche. »Aber dafür wird dieser Mistkerl noch büßen!«, zischte sie.
Shannon zog einen Streifen Klebeband von der Rolle, riss ihn mithilfe ihrer Zähne ab und klebte ihn über Tess` Mund. Mit zwei weiteren, längeren Streifen fesselte sie ihre Hände und ihre Füße. »Sicher ist sicher«, bemerkte sie dabei spöttisch.
Dann wies sie mit dem Zeigefinger auf Tess. »Du wartest jetzt hier. Ich hole mein Auto und dann machen wir beide einen kleinen Ausflug.«
47. Kapitel
Lustlos stocherte Kate Reynolds in ihrem Abendessen herum. In Gedanken war sie mit Millie Walls beschäftigt. Seitdem sie erfahren hatte, dass ihre Schulfreundin tot aufgefunden worden war, hatte sich alles verändert. Sie legte die Gabel beiseite und schob den Teller von sich weg. Der Appetit war ihr gründlich vergangen, Sie bekam keinen Bissen mehr runter.
»Ich habe alles falsch gemacht«, murmelte sie und schlug die Hände vors Gesicht. Schon die ganze Zeit quälte sie die Frage, ob Millie noch am Leben wäre, wenn sie von Anfang an die Wahrheit gesagt hätte. Aber darauf würde sie wohl nie eine Antwort bekommen.
Nervös stand Kate auf und begann, unruhig herumzulaufen. Im Moment konnte sie einfach nicht stillsitzen. Sie fragte sich,
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