Seefeuer
hilft alles nichts,
wir müssen jetzt da durch.«
»Sommer muss verständigt werden«, sagte Wolf.
»Ist bereits im Anmarsch.«
»Habt ihr Höflich schon weggebracht?«
»Komm mit, er liegt drüben auf der Gartenseite.«
Während sie zu der bezeichneten Stelle gingen, flammten plötzlich zwei
Scheinwerfer auf, die, nachdem sie von den Kollegen der Spurensicherung
ausgerichtet worden waren, eine Kreisfläche mit etwa drei Metern Durchmesser
taghell erleuchteten. Mitten im Kreis verlief die Grenze zwischen dem Rasen und
einem Beet, dicht bestanden mit Herbstastern und gelb blühendem Sonnenhut.
Direkt auf der Grenze lag ein längliches Bündel: Höflich. Dicht daneben kniete
eine Frau. Wolf erkannte sie erst auf den zweiten Blick. Es war Jo, die nur
wenige Schritte vom Tatort entfernt wohnte. Er tippte ihr leicht auf die
Schulter und murmelte ein undeutliches »Hallo«, ehe er sich ebenfalls über den
leblosen Körper beugte und den Metallschaft genauer in Augenschein nahm, der
inmitten eines handtellergroßen Blutflecks aus Höflichs Rücken ragte.
»War der Arzt schon da?«, fragte er Jo.
»Ist bereits wieder weg. Er konnte nur noch Höflichs
Tod feststellen, Einzelheiten wie üblich nach der Obduktion. Die Tatwaffe ist
übrigens eine Harpune«. Mit ihrer behandschuhten Hand zog sie leicht an dem
Metallschaft. »Eine geschmiedete Trident-Dreizackspitze von Immersion, wird
gerne beim Speerfischen verwendet, ein Profigerät.«
»Warum war Höflich nicht im Haus, wie es ausgemacht
war?« Unbemerkt von Wolf und Jo war Sommer hinter sie getreten und starrte auf
den Toten hinunter. Mit seinem leichten Übergangsmantel und den tief in den
Taschen vergrabenen Händen glich er einem zufällig vorbeigekommenen Passanten.
Jo versuchte sich an einer Antwort: »Die Haushälterin
hat ausgesagt, Höflich habe etwa um zweiundzwanzig Uhr das Haus verlassen, um
sich die Beine zu vertreten. Warum er bei seiner Rückkehr hier entlangging,
wissen wir noch nicht. Möglicherweise wollte er durch die offene Terrassentür
ins Haus zurück. Höflichs Frau ist seit gestern verreist. Ich habe sie
inzwischen verständigt.«
»Wer hat ihn gefunden?«
»Die Haushälterin«, sagte Jo. »Sie hat ein Geräusch
gehört und gleich nachgesehen, das war so um zehn nach eins. Es gilt also, die
Frage zu klären, wo Höflich sich zwischen zehn und eins aufgehalten hat.«
»Woher hat der Mörder gewusst, dass Höflich nicht auf
dem Schiff war – kannst du mir das sagen, Leo?«
»Darüber zerbreche ich mir schon die ganze Zeit den
Kopf. Irgendwie erinnert mich das Ganze an Agatha Christies ›Zehn kleine
Negerlein‹: … da waren’s nur noch vier!«
»Wir hätten das einkalkulieren müssen. Rückblickend
war es ein großer Fehler, dass wir nicht auf eine Bewachung durch einen
Kollegen bestanden haben. Ich hätte es besser wissen sollen!«
»Warum du? Ich hab deine Idee ebenfalls für gut
befunden. Dass Höflich so dumm war, unseren Plan auf diese Weise zu
unterlaufen, konnte keiner ahnen. Und dass es irgendwo eine undichte Stelle
gibt, gleich zehnmal nicht.«
Sommer kniff die Augen zusammen, sagte aber nichts.
»Sollten wir uns nicht eher den Kopf zerbrechen, wie’s
jetzt weitergeht?« Marsberg, der in der Zwischenzeit die Spurensicherungsleute
eingewiesen hatte, war wieder zu ihnen gestoßen.
»Ich werde als Erstes, also gleich morgen früh …
genauer gesagt: nachher … zu Pohl ins Krankenhaus fahren«, sagte Wolf. »Am
besten stellen wir ihm zu seinem Schutz sofort einen Beamten vor die Tür. Im
Übrigen darf er auf keinen Fall den geplanten Auftritt auf dem Münsterturm
durchführen, selbst wenn es seine Verletzungen zulassen sollten.«
Marsberg winkte geringschätzig ab: »Wie ich Pohl
einschätze, ist er der geborene Hasenfuß, der hat den Münsterturm längst
abgeschrieben, nach Höflichs Tod sowieso. Am liebsten würde er sich die
nächsten Tage in ein Mauseloch verkriechen, wenn er könnte.«
»Vielleicht sollten wir das mit Blick auf die
Journaille ebenfalls tun«, murmelte Sommer. »Die anberaumte Pressekonferenz
werde ich jedenfalls auf Montag verschieben.« Damit drehte er sich um und ging
weg.
Noch während sich Wolf und Marsberg fragend ansahen,
trat einer der Spurensicherungsleute in den Lichtkreis. »Da kam gerade eine
Meldung: Draußen auf der Straße, linker Hand, kaum fünfzig Meter entfernt,
steht ein offener Pkw, in dem liegt eine Harpune. Wollt ihr mal hin? Der Halter
wird gerade ermittelt.«
Was für eine
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