Seefeuer
zweiten Wagen, vermutlich das
Dienstfahrzeug der Kripo Konstanz, und erreichten schließlich eine kleine
Lichtung. Zwei Uniformierte waren gerade dabei, den Waldboden nach eventuellen
Spuren abzusuchen.
Über der am Boden liegenden leblosen Gestalt wölbte
sich die Krone einer mächtigen Buche. Von einem der Äste baumelte noch das
Seil. Die Schlinge fehlte, man hatte den Toten einfach abgeschnitten. Es
handelte sich um einen etwa fünfzigjährigen, hager wirkenden Mann mit
Dreitagebart, bekleidet nur mit einer reichlich zerschlissenen Arbeitshose und
Turnschuhen. Sein stark behaarter Oberkörper war nackt. Neben ihm lag ein
ehemals gelbes T-Shirt, auf dem Jo mit Mühe die Aufschrift » HOHBAU « entziffern konnte. Deutlich zu erkennen dagegen
waren die rötlich violetten Strangulierungsmale am Hals des Toten. Eine Frau
beugte sich über den Leichnam, ihr weißer Overall und der Instrumentenkoffer
wiesen sie als Ärztin aus. Sie nickte den Neuankömmlingen kurz zu und setzte
dann ihre Untersuchung fort. Ein umgestoßener Campingstuhl, der etwa einen
Meter neben dem reglosen Körper lag, rundete das Bild ab.
Ein Kripobeamter in Zivil tauchte neben ihnen auf und
grüßte. Wolf hob nur flüchtig die Hand, eine Reaktion, die Jo nicht fremd war.
Wahrscheinlich hadert er jetzt wieder mit seinem Namensgedächtnis, dachte sie.
Sie kannte seine Schwäche, Namen zu vergessen – ein Manko, das ihn zunehmend
belastete, wie er ihr einmal gestanden hatte.
Der Kollege hielt Wolf eine grüne Kunststoffbox hin.
Wie die beiden Uniformierten trug auch er die bei der Polizei üblichen weißen
Latexhandschuhe. »Da ist alles drin, was wir in den Taschen des Toten gefunden
haben: Ausweis, Führerschein, Schlüssel, EC -Karte,
eine kleinere Summe Bargeld, ein paar Fotos. Was man eben so bei sich trägt.
Ach ja, und dann noch das hier, eine Kunststoffschlaufe. Haben die Kollegen auf
dem Boden gefunden, unter dem Laub.«
Wolf nahm das Ding in die Hand und drehte es hin und
her. »Was ist das?«
»Wissen wir nicht. Kann sein, es hat gar nichts mit
dem hier zu tun.« Mit einer flüchtigen Handbewegung wies der Beamte auf den
Toten.
»Kein Abschiedsbrief?«, fragte Jo.
»Wie man’s nimmt. Diese Hülle hier war ebenfalls bei
seinen Sachen. Den Zettel, der drinsteckt, könnte man als solchen deuten.« Er
zog ein Papier heraus und entfaltete es.
Mit sauberer, schulmäßiger Schrift, die auf keinerlei
seelische Erregung schließen ließ, hatte der Schreiber drei kurze Worte auf das
Papier gesetzt: »Verzeih mir, Sonja.«
»Nicht gerade viel«, kommentierte Jo. »Könnte Sonja
seine Frau sein?«
»Keine Ahnung. Vergesst nicht: Wir sind auch erst seit
einer halben Stunde hier.«
»Schon gut, wir recherchieren das«, winkte Wolf ab.
»Ich nehme an, wir können seine Sachen mitnehmen, oder? Vermutlich seid ihr
froh, wenn die kriminaltechnische Untersuchung bei uns in Überlingen
durchgeführt wird.« Mit dem Anflug eines Lächelns versuchte er, der Situation
jeden Anschein von Rivalität zu nehmen. »Aber vielleicht können wir uns das ja
sogar sparen, je nachdem, was der Doc feststellt.« Damit drehte er sich um und
ging auf die Ärztin zu.
»Moment noch«, warf Jo hastig ein und fragte den
Konstanzer Kollegen: »Habt ihr sein Fahrzeug gefunden?«
Der schüttelte den Kopf. »Sieht so aus, als wäre der
Mann zu Fuß gekommen. Jedenfalls steht weit und breit kein herrenloser Wagen.«
»Irgendwelche Umstände, die aus deiner Sicht auf etwas
anderes als Selbstmord hindeuten?«, fragte Wolf.
»Bis jetzt nicht. Alles spricht dafür, dass Ploc
allein war, dass er auf den Campinghocker stieg, sich die Schlinge um den Hals
legte und danach den Hocker umstieß. Was wir nicht wissen, ist, warum er es tat. Das rauszukriegen ist jetzt eure Sache.«
Inzwischen hatte sich die Ärztin erhoben und war zu
ihnen rübergekommen. Sie bestätigte die Einschätzung des Beamten: »Eindeutig
Suizid, keinerlei Hinweis auf Fremdeinwirkung, soweit ich das hier feststellen
kann.« Sie griff nach einem Formular. »Geht die Leiche nach Konstanz oder nach
Überlingen?«
»Überlingen, Pathologie im Kreiskrankenhaus«,
antwortete Wolf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sie verabschiedeten
sich und gingen zu dem Wagen zurück, der sie hergebracht hatte.
Sie waren erst wenige Meter gefahren, als ihnen auf
dem Waldweg ein marineblauer Sportwagen entgegenkam
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