Seegrund
nur gelautet: »Ich fahre lieber selber.«
Vor dem Kassenhäuschen hellte sich Kluftingers Stimmung deutlich auf: Er empfand eine kindliche Vorfreude darüber, dass Langhammer die teuren Karten würde kaufen müssen, während er seine Gutscheine auf den Tresen legen konnte. Doch er schämte sich sofort für seine Gedanken, als der Doktor sich an ihm vorbeidrängte, seine Armbanduhr auf den Tresen legte und sagte: »Eine Tageskarte bitte.«
Erika hatte ihm gar nichts von den finanziellen Problemen des Doktors erzählt, wunderte sich der Kommissar. Wahrscheinlich, weil bisher noch niemand davon wusste: »Also, Herr Langhammer, wenn Sie gerade nicht liquide sind … ich meine, ich hab sicher genug dabei«, flüsterte er dem Doktor deswegen diskret ins Ohr. »Sie können S’ mir daheim ja zurückgeben.«
Der Doktor starrte ihn entgeistert an. Erst nach ein paar Sekunden begann er, schallend zu lachen. »Also, mein lieber Kluftinger, Sie sind mir schon so ein Schelm. Nicht liquide … daheim zurückgeben … köstlich, wirklich köstlich.«
Der Kommissar war irritiert, doch da fiel sein Blick auf ein Schild:
»Chip-Service: Der Skipass auf Ihrer Uhr.«
Er nickte anerkennend: Obwohl er den meisten Neuerungen im Skizirkus skeptisch gegenüberstand, hielt er das für eine gute Lösung. Er nahm also seine Armbanduhr ebenfalls ab, legte sie mit dem Gutschein auf den Tresen und sagte: »Das Gleiche!«
Im selben Moment steigerte sich Langhammers verklingendes Lachen zu einem hysterischen Gebrüll: »Stopp! Aufhören! Sie sind wirklich eine Nummer …«
Die Frau im Kassenhäuschen blickte erst unsicher von einem zum anderen, dann nahm ihr Gesicht feindselige Züge an: »Hören Sie, es ist heute viel los. Veräppeln können Sie jemand anderen!«
Mit diesen Worten schob sie Kluftingers Uhr wieder zurück. Erst jetzt bemerkte der auf dem Anschlag den Zusatz: »Nur in Verbindung mit Ski-Data-Watches.« Auch wenn er nicht wusste, was das bedeuten sollte, war er sich ziemlich sicher, dass seine Uhr nicht in diese Kategorie fiel. Er setzte ein Grinsen auf, um auch den Doktor in dem Glauben zu lassen, er habe absichtlich einen Spaß machen wollen.
»Habt ihr’s bald da vorne?«, riefen die beiden Frauen ungeduldig.
»Wir sind ja schon da«, antwortete der Doktor. »Also dann, nichts wie zur Gondel.«
Kluftinger schüttelte den Kopf: »Da geht nebendran auch ein Schlepplift rauf, nehmen wir doch den.«
»Ach, die Gondel ist doch viel, viel bequemer«, widersprachen die Frauen.
»Aber der Schlepper ist viel schneller. Und man muss auch nicht anstehen. Schaut euch doch mal die Schlange an.«
Bei der Vorstellung, dicht gedrängt mit dieser Menschenmenge in einer der beiden engen Blechbüchsen, die abwechselnd zum Gipfel fuhren, über dem Abgrund zu hängen, bekam der Kommissar weiche Knie.
»Da stehst du erst in der Kälte und dann hauchen dir die Leut ihren Atem ins Gesicht«, setzte er nach. »Und wenn da jemand krank ist – tja, da kommst du nicht aus.«
»Aber mein Lieber«, winkte der Doktor ab, »bei Ihrer Virenbelastung müssen sich wohl eher die anderen fürchten.«
Kluftinger spannte seine Kiefermuskeln an. Langhammer musste auch immer das letzte Wort haben. »Wisst ihr was?«, raunzte er schließlich. »Ich fahr einfach allein hoch und ihr könnt’s ja in die stinkende Gondel gehen.«
Mit diesen Worten stieg er in seine Bindung, stieß sich ab und glitt zum Schlepplift. Zwei Leute waren vor ihm, dann fuhr er hoch.
Oben angekommen sog er die klare Bergluft tief in seine Lungen. Allerdings war die so kalt, dass ihm kurz der Atem wegblieb und er dann einen Hustenanfall bekam, der ihm die Tränen in die Augen trieb. Hier herumzustehen würde ihm sicher gar nicht gut tun. Seine Erkältung war zum Glück nicht mehr ganz so akut, seitdem er den gestrigen Samstag vorwiegend liegend verbracht hatte. Er schnallte seine Ski ab und bewegte sich ein bisschen, um nicht auszukühlen. Dabei fiel sein Blick auf die Alpengipfel, die von hier oben zu sehen waren. Kluftinger war erstaunt, dass selbst nach so vielen Jahren die Schönheit dieser Landschaft ihm noch immer nicht zur Selbstverständlichkeit geworden war.
Das leise Surren einer herannahenden Gondel lenkte seinen Blick zur Bergstation, doch seine Begleiter waren nicht unter den Menschen, die dort ausstiegen.
»Herrgottsakrament«, fluchte er. Wo blieben sie nur? War die Schlange so lang gewesen? Das hatte er nun davon, dass er als Erster oben war: Er musste in der
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