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Seegrund

Seegrund

Titel: Seegrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kobr Michael Kluepfel Volker
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Kälte stehen und Däumchen drehen. Priml!
    Erst zehn Minuten später traf sein Anhang ein. Seine Finger waren bereits steif und klamm und sein Rachen kratzte unangenehm.
    »Gar kein Problem, alles bestens«, antwortete er trotzdem auf Langhammers Frage, ob es ihm hier oben nicht zu kalt gewesen sei. »Ich bin die raue Bergwelt gewohnt!«
    Er stieg in seine Ski, fädelte seine Hände in die Schlaufen seiner Stöcke ein, stemmte sie in den Boden, blickte noch einmal zurück und rief: »Also, auf geh …« Da sah er, wie der Doktor einen Skistock mit beiden Händen hoch über dem Kopf hielt und seine Hüfte kreisen ließ. Die beiden Frauen schwangen ebenfalls ihre Hüften zum Takt, den der Doktor vorgab: »Eins und zwei und eins und zwei …« Kluftinger seufzte.
    »Machen Sie doch mit, mein Lieber!«, rief Langhammer zu ihm herüber.
    »Ganz bestimmt!«, brummte der Kommissar.
    »Ist besser, wirklich«, insistierte der Doktor. »Wo Sie jetzt doch so lange in der Kälte gewartet haben.«
    Kluftingers Wangen bekamen auf einmal wieder Farbe. Demonstrativ glitt er mit seinen Ski ein paar Mal auf der Stelle vor und zurück, um nach etwa zehn Sekunden zu sagen: »Gut, ich hätt’s dann. Fahren wir los?«
    Doch Langhammer bestand noch auf die »Stemm-den-Stock-in-den-Boden-und-streck-den-Hintern-raus-Übung« und das »Hock-dich-mit-angezogenen-Beinen-hin-und-grins-dabei-de bil-Manöver«, bevor er grünes Licht für die Abfahrt gab.
    Sie schoben sich alle bis zur Kante des Hangs und blieben stehen, um ihn erst einmal in Augenschein zu nehmen. Dann fuhren die beiden Frauen los. Kluftinger zögerte noch ein wenig, weil sein Handschuh ihn drückte. Langhammer missdeute das und beruhigte den Kommissar: »Da können Sie ruhig fahren, das ist gar nicht so steil, wie es aussieht.«
    Kluftinger klappte ob dieser Bemerkung der Unterkiefer herunter. Er ließ seinen Handschuh Handschuh sein, stieß sich ab und wedelte eilig die Pulverschneepiste hinunter, vorbei an den Frauen, über Kuppen und Bodenwellen, auf die Buckelpiste und wieder heraus.
    Er liebte das Skifahren: Trotz seines Übergewichts und seiner eigentlich alles andere als sportlichen Lebensweise hatte er, wenn er die Hänge hinunterglitt, manchmal das Gefühl, schwerelos zu sein.
    Er schwang ab und blickte nach oben. Erst nach einigen Sekunden tauchten die beiden Frauen hinter einer Kuppe auf und fuhren winkend an ihm vorbei. Erika sah noch immer sehr elegant aus auf Skiern, das hatte ihm schon in ihrer Jugend so gut gefallen. Dann wandte er wieder den Kopf und suchte den Hang ab: Von Langhammer war noch nichts zu sehen. Ob es ihn schon bei der ersten Abfahrt zerlegt hatte? Der Kommissar musste bei dem Gedanken unwillkürlich grinsen. Im gleichen Moment blitzte an der Kuppe der Spiegelhelm des Doktors auf. Fast etwas enttäuscht schaute Kluftinger ihm zu und glaubte, seinen Augen nicht zu trauen: Breitbeinig, mit Rückenlage, vom Körper gestreckten Armen und der Geschwindigkeit eines lahmenden Schlittenhundes grattelte der Doktor die Piste herunter. Ein warmes Gefühl der Zufriedenheit machte sich in Kluftinger breit. Endlich gab es etwas, worin er dem akademischen Sprücheklopfer überlegen war.
    »So, auch schon da?«, frotzelte Kluftinger, als Langhammer neben ihm zum Stehen gekommen war. »Ich hab mir schon überlegt, ob ich meine Brotzeit rausholen soll.«
    Gelassen gab der Arzt zurück: »Wissen Sie mein Lieber, das Tempobolzen und Schussfahren ist out. Genussskifahren ist in. ›Carving‹ heißt das Zauberwort.«
    Kluftinger hatte keine wirkliche Ahnung, was es mit dieser neuen Art, Ski zu fahren, auf sich hatte, aber er war sich sicher, dass das nichts damit zu tun hatte.
    »Gut, dann lassen Sie uns mal zum Lift genussskifahren«, höhnte der Kommissar.
    »Nach Ihnen«, antwortete Langhammer.
    »Ich finde es ja toll, dass ihr euch so gut versteht«, flüsterte Erika fröhlich, als ihr Mann sich in der Schlange am Lift zu ihr gesellte.
    »Bestens, ja, ja«, nickte der Kommissar abwesend. Er achtete konzentriert darauf, dass Erika in der Schlange nicht von seiner Seite wich und er am Ende noch mit dem Doktor den Liftbügel hätte teilen müssen.
    Als sie an der elektronischen Schranke ankamen, hielt Erika ihren Ärmel, in dem die Chipkarte steckte, an den Empfänger, es piepste und ein grünes Licht blinkte. Bei Kluftinger piepste nichts und das Licht blieb rot. Seine Frau hatte sich vor ein paar Jahren einen neuen Anorak mit Ärmeltaschen für Chipkarten

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