Seegrund
kümmerliche Ausstellung war ihm nun wirklich nicht zumute. Der Polizist machte sich mit ein paar albern wirkenden, angedeuteten Verbeugungen schleunigst aus dem Staub.
Der Kommissar wandte sich wieder den Vitrinen zu. Rechts von ihm beanspruchte eine alte Uniformjacke ein ganzes Schaufenster. Gleich daneben hing eine Fotografie, die seine Aufmerksamkeit erregte. Sie zeigte einen Taucher in einem altertümlich anmutenden Tauchanzug. Der Helm war eine riesige Glocke aus Messing mit einem runden, vergitterten Sichtfenster. Von der Glocke führte ein Schlauch zu einem Apparat, um den einige Männer in Uniform herum standen; gleich neben ihnen wehte eine US-Flagge. Unter dem Bild stand mit blauer Tinte geschrieben: »Alatsee, Tauchmanöver der Amerikaner, Juni 1955.« Kluftinger zog die Brauen nach oben. Inzwischen konnte er sich denken, was die Soldaten dort gesucht hatten.
Er ging weiter und sein Blick wanderte über eine Art Tisch, auf dem unter einer Glasplatte verschiedene Dokumente ausgelegt waren. Kluftinger schaute nur oberflächlich darüber, er war nicht in der Stimmung, sich in irgendwelche historischen Akten einzulesen. Er wandte sich schon wieder ab und richtete seinen Blick auf die nächste Vitrine, in der eine alte, von Hand zu kurbelnde Sirene lag, da gefror seine Bewegung. Schweiß trat auf seine Stirn und er schluckte. Er drehte sich langsam um und senkte seinen Kopf wieder über den Tisch. Tatsächlich, seine Sinne hatten ihm keinen Streich gespielt. Mit klopfendem Herzen las er das Schriftstück, das vor ihm lag. Es war datiert auf den 30. Mai 1950 und trug den Stempel der Bayerischen Staatskanzlei:
An den Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Hans Ehard, München,
Prinzregententstr. 7.
Betrifft: a) Rothschildschatz auf Schloß Neuschwanstein
b) Reichsbankgold im Raume Füssen
Bezug: Zwischenbericht des Präsidiums der Landpolizei von Bayern
Berichterstatter: Ob. Insp. d. LP. Martin
Die Ermittlungen der hiesigen Dienststelle zu den im obigen Betreff angeführten Vorgängen sind vorläufig abgeschlossen. Der größte Teil der beteiligten Personen wurde ermittelt und protokollarisch oder informatorisch zur Sache gehört. Über das Ergebnis wird nachfolgend berichtet.
Da die Einlagerung eines Teils des Rothschildschatzes auf Schloß Neuschwanstein mit den angeblichen Goldtransporten der ehemaligen Deutschen Reichsbank in den Raum Füssen in keinem Zusammenhang stehen …
Der Kommissar schluckte. Die zweite Seite war nicht ausgestellt. Kluftinger wollte bereits die Vitrine öffnen, da bemerkte er ein weiteres Schreiben. Es war ein als geheim gekennzeichneter Brief der Oberfinanzdirektion unter Doktor Schön an den damaligen Bundesfinanzminister, dessen Abschrift am 21. Juli 1953 der Polizei Füssen zugeleitet wurde.
Geheim!
21. Juli 1953
An den Herrn Bundesminister der Finanzen
Bonn/Rhein
Rheindorferstraße 116
Betr.: Bergung von Munition, Schrott und sonstigem Eigentum des ehemaligen Deutschen Reiches aus den Alp-Seen bei Füssen
Meine Bundesvermögensstelle Kempten berichtete mir, daß die z.Zt. vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr mit Munitionsbergungen beauftragte Firma N., Schrottgroßhandlung, Spezialfirma für Abbruch und Bergung, Augsburg, um die Genehmigung zur Bergung eines angeblich im Alatsee versenkten Schatzes der ehemaligen »Reichsschatzkammer« nachgesucht habe.
Die Firma N. hat u.a. im Alatsee nach etwa dort verlegten Kabeln getaucht. Da ein bereits heraufgezogenes Kabel wieder in den See zurückgefallen und im Schlamm versunken war, warf die Firma einen 2 Ztr. schweren Anker in den See und zog ihn am Grund entlang. Dabei wurde ein Kupferseil gehoben und bis zu einem Punkt, etwa in der Mitte des Sees, herausgezogen; von hier aus führte es dann senkrecht auf den Seegrund. Durch plötzlich auftretenden Sturm wurde das Kupferkabel dann aber aus seiner Verankerung gerissen und konnte geborgen werden. An dem Kupferseil war nach Angabe des Herrn N. eine Plombe mit dem Prägedruck »Reichsschatzkammer«. Da in dem See eine Schwefelquelle vorhanden ist, die die Arbeiten unter Wasser ausserordentlich erschwert, kann sich der jeweilige Taucher nur sehr kurz an der vorerwähnten Stelle aufhalten.
Aus Kreisen der Bevölkerung ist der Firma N. berichtet worden, daß etwa 3-4 Wochen vor dem Zusammenbruch 2 LKW' s mit KZ-lern, die von höheren Offizieren bewacht waren, an den Alatsee fuhren. Daraufhin wurde für etwa 6 Stunden Fliegeralarm gegeben,
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