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Seegrund

Seegrund

Titel: Seegrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kobr Michael Kluepfel Volker
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Auto, das ihrer Meinung nach hier nichts verloren hatte, Platz zu machen. Wütend drohten sie mit ihren Peitschen.
    Da beugte sich Friedel Marx zum Beifahrersitz hinüber, um das Handschuhfach zu öffnen. Aus dem fielen erst dutzende leere, zerknüllte Zigarillopackungen, dann kam eines der Blaulichter mit Magnethalterung zum Vorschein. Grinsend setzte sie es aufs Dach und schaltete es ein.
    »Ohren zuhalten«, brummte Friedel Marx noch.
    Wie vom Blitz getroffen fuhren die Pferde zusammen und machten einen Satz an den Fahrbahnrand. Grinsend drückte Marx aufs Gas und schon nach kurzer Zeit hatten sie das Schlosstor erreicht. Im Inneren des Durchlasses hallte das Signalhorn so laut, dass sich die dort wartenden Besucher reflexartig die Ohren zuhielten. Endlich verstummte auch die Sirene. Beim Aussteigen bemerkten sie, dass die in der Schlange stehenden Besucher fast alle Kamera oder Fotoapparat auf sie gerichtet hatten.
    Die Beamten liefen zum Informationsschalter, der sich im vorgelagerten Torbau befand. »Kenntat Sie mir a Information geaba, bittschee?«, fragte der Kommissar in viel breiterem Allgäuer Dialekt, als er ihn sonst benutzte. An Orten wie diesem war es ihm besonders wichtig, dass man ihn als Einheimischen wahrnahm. »Ei was wolle Se denn?«, fragte die Frau an der Kasse beiläufig, ohne zu Kluftinger hinzusehen – in tiefstem Hessisch.
    »Polizei. Doktor Bandura, und zwar gleich!«, blaffte die Marx sie an.
    »Moment …«, sie sah auf ihren Computerbildschirm, »Herr Doktor Bandura macht gerad eine Führung. Wenn Sie möschten, könnense noch dazustoßen, isch verständische den Kolleschn am Eingang.«
    Als die Beamten an den Wartenden vorbei zum Eingang gingen, erhob sich aufgeregtes Stimmengewirr, ehe man ihnen die Tür öffnete und sie dann hinter ihnen schloss. Der Mann am Eingang beschrieb ihnen den Weg zu Banduras Gruppe und ließ sie dann allein zurück.
    Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie die Ehrfurcht, die sie beim Anblick der gewaltigen Halle verspürten, abgeschüttelt hatten. Doch dann besannen sie sich wieder ihres Auftrages und begannen zu laufen. Den langen Gang im »Ritterhaus« entlang, einem Verbindungstrakt zum Hauptgebäude, durch prunkvolle Säle und Räume voller Gold und Silber.
    Nachdem ob des anfänglichen Laufschritts sowohl Friedel Marx als auch Kluftinger heftig anfingen zu husten, beschlossen sie in stillschweigendem Einvernehmen, langsamer zu gehen. Der Thronsaal, den Kluftinger und Marx nach einigen Schlafgemächern der Dienerschaft erreichten, war leer. Obwohl sie es eilig hatten, blieben die Beamten kurz stehen, so sehr nahm sie der Anblick dieser prächtigen Halle gefangen. Eigentlich glich sie mehr einer Kirche als einem Festsaal. Das leuchtende Blau der Säulen, der Mosaikfußboden, der schneeweiße Marmor und das viele Gold boten einen überwältigenden Anblick, von dem sich die Polizisten nur mühsam losreißen konnten.
    Durch das königliche Schlafzimmer, das Kluftinger wegen seiner dunklen, mit kostbaren Schnitzereien versehenen Eichenholz-Vertäfelung besonders gefiel, ging es in die Ankleide und das Wohnzimmer bis zur Grotte. Kluftinger war lange nicht mehr dort gewesen, aber jedes Mal jagte ihm dieses bunt beleuchtete Beispiel der bizarren Launen des Paradiesvogels, der einst über das Königreich Bayern herrschte, einen Schauer über den Rücken. Im ehemaligen Arbeitszimmer jedoch verharrte er für einen Augenblick ehrfürchtig. Er hatte einen Blick aus dem Fenster geworfen: Vor ihm lagen tief verschneit das Füssener und Schwangauer Tal. Dunkle Wolken drängten sich darüber zusammen. Der Anblick war atemberaubend.
    »Können wir wieder?«, riss ihn die Marx aus seinen Gedanken. Weiter ging es die steile Wendeltreppe nach oben, die in einer großen Palme aus Stuck endete. Nun hörten die beiden eine Stimme hinter einer verschlossenen Tür.
    Friedel Marx öffnete die Tür und sie betraten den riesigen Sängersaal im vierten, obersten Stockwerk des Schlosses. Hoch ragten die reich verzierten Wände, auf denen Szenen aus der Parzivalsage dargestellt waren, bis zu einer gewaltigen Holzdecke, die nach oben trapezförmig zulief. Von der Decke hingen vier riesige goldene Leuchter. Der Führer einer vielleicht fünfzehnköpfigen Gruppe nahm die hereinkommenden Polizisten zunächst gar nicht wahr. Mit monotoner Stimme beschrieb er den Raum: »… und der Saal ist in Teilen eine Kopie des Festspielsaals der Wartburg, in dem 1207 der Sängerstreit stattgefunden

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