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Seegrund

Seegrund

Titel: Seegrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kobr Michael Kluepfel Volker
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haben soll. König Ludwig, ein glühender Verehrer des Mittelalters und der Kompositionen Richard Wagners, konnte leider nie die Akustik dieses Raumes genießen. Die aus sechsundneunzig Teilen bestehende und bunt gefasste Fichtendecke sollte als Resonanzkörper ähnlich wie bei Streichinstru menten den Ton der Musik verstärken. Wie kommen Sie hier herein und was kann ich bitte für Sie tun?«
    Kluftinger hatte zunächst gar nicht bemerkt, dass der Mann am Ende ihn und seine Kollegin angesprochen hatte, so wenig unterschied sich die Anrede von dem leiernden Singsang seines sicher immer gleich lautenden Textes.
    »Herr Doktor Bandura?«, fragte Kluftinger.
    Bandura nickte. Unter seinem grünen Lodencape zeichnete sich ein massiger Körper ab. Oben war Bandura ganz schmal, mit hängenden Schultern, am Bauch und den Hüften aber derart voluminös, dass Kluftinger sich neben ihm vorkam wie ein Hänfling.
    »Wir würden Sie gern in einer dienstlichen Angelegenheit sprechen. Kripo Kempten.«
    Noch einmal sah der Mann auf und auch die Aufmerksamkeit seiner Gruppe war geweckt. Dann fuhr er in seinen Ausführungen fort und lenkte damit die Blicke der Touristen wieder auf sich. Schließlich ging er zu einer Tür an der Stirnseite des Raumes und öffnete sie.
    »Ich darf Sie nun bitten, sich über die hundertsechsunddreißig Stufen der Wendeltreppe in die Schlossküche zu begeben, die für damalige Zeiten modernste Großküche Europas: Details können Sie den unten angebrachten Hinweistafeln entnehmen. Wir hoffen, die Führung hat Ihnen gefallen, und wir würden uns freuen, Sie bald wieder in einem Schloss der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung begrüßen zu dürfen, ich darf Sie darauf hinweisen, dass auch in den Treppenhäusern, in der Schlossküche wie auch im schlosseigenen Andenken-Shop das Rauchen untersagt ist, bitte achten Sie auf der Treppe auf Ihren Kopf, die Tür ist nur einen Meter neunzig hoch, vielen Dank und auf Wiedersehen.«
    Völlig ohne Modulation in der Stimme hatte Bandura seinen Text heruntergebetet. Als die Gruppe, die sich als Kirchenchor aus dem Bayerischen Wald entpuppt hatte, nach einem Kanon, der eilends wegen der einzigartigen Akustik angestimmt worden war, den Raum verlassen hatte, schob Bandura mit schwankenden Hüften seinen massigen Körper auf Kluftinger und Friedel Marx zu.
    »So, was kann ich für Sie tun?«
    »Kluftinger, Kripo Kempten. Das ist meine Kollegin, Frau Marx. Wir sind mit einigen Fragen gekommen, die Sie uns vielleicht beantworten können. Es geht um … warten Sie …«, Kluftinger reichte ihm das Schriftstück aus der Vitrine. »Es geht um die Vorgänge, die hier beschrieben sind.«
    Bandura las sich das Papier kurz durch und gab es Kluftinger zurück.
    Er holte tief Luft, seufzte und hob an zu reden: »Nun, ich weiß zwar nicht, warum sich die Kriminalpolizei dafür interessiert, ich will Ihnen aber gern sagen, was ich darüber weiß. Und das ist aus historischer Sicht vielleicht weniger, als Sie sich erhoffen. Ich kann Ihnen nämlich weder sagen, wo der Rothschild schatz abgeblieben ist, noch, wo Sie das legendäre Reichsbank gold finden.«
    Kluftinger traute seinen Ohren nicht. Bandura hatte nun eine völlig andere Stimme, redete in lebendigem Tonfall.
    »Es gibt natürlich einiges, was wir sicher wissen. Am Ende des Krieges, etwa ab 1943, ahnten viele längst, dass der deutsche Größenwahn in einem unvergleichlichen Debakel enden würde. Um für diesen Fall Sorge zu tragen, brachte man systematisch die Bestände von Museen, Kunstsammlungen, wissenschaftlichen Sammlungen und Bibliotheken in Sicherheit. Und Sicherheit, das versprach aus damaliger Sicht am ehesten die Provinz. Gerade die Allgäuer Kappellen, ländliche Schlösser und Pfarrhäuser wurden zur Sicherung der Kunst- und Goldschätze auserkoren.
    Was damals alles in Kisten verpackt und an die verschiedensten Orte gebracht wurde, kann man sich gar nicht vorstellen. Ein Wunder, dass so vieles davon überhaupt jemals wieder aufgetaucht ist.
    Wenn Sie so wollen, war ab 1943 das Allgäu mehr und mehr der Luftschutzbunker deutscher Kunst. 1946 gab es sogar sechs große Ausstellungen von Meisterwerken deutscher Kunst in Kempten und Memmingen, bevor die Bestände wieder auf die Museen und Sammlungen verteilt worden sind.
    Aber zurück in die Wirren der letzten Kriegsmonate: Sonderkommandos wurden gebildet und generalstabsmäßig wurde die Verlagerung immenser Kostbarkeiten organisiert. Schätzungen gehen davon aus,

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