Seegrund
dass das verlagerte Gut hier im Allgäu einen Wert von etwa fünfhundert Millionen Goldmark hatte. Und das Reichsbankgold ist dabei noch nicht einmal eingerechnet.
Nur vage kann man jedoch den Umfang der Beutekunst, die nach dem Krieg nie wieder aufgetaucht ist, benennen. Dazu gehört auch der Familienbesitz der Rothschilds. Diese Familie war damals in der ganzen Welt für ihren Reichtum bekannt. Zusammen mit den Rockefellers waren die Rothschilds so etwas wie die Finanzgeber der westlichen Welt. Sehr wertvolle Gemälde befanden sich bis zum Krieg in ihrem Besitz, etwa von Velasquez, van Dyck oder van Gogh. Vor allem für ihre einzigartige Sammlung von Rubinensembles wurde Baroness von Rothschild beneidet. Die Frau von Louis Rothschild, der von den Nazis gefangen genommen wurde, war außerdem eine große Liebhaberin von Schmuck. Und so ließ ihr Mann ihr zu jedem Fest ein Armband, einen Ring, ein Collier und Ohrringe aus den teuersten Rubinen machen, immer anders gefasst und immer in anderen Formen. Legendär sind etwa die Ohrringe mit Rubinen, die in Tränenform geschliffen worden sind. Die Roten Tränen, hießen sie.
Und die Familie sammelte natürlich die Mouton-Rothschild-Weine. Auch die Weinsammlung ist seit dem Krieg verschollen. In den achtziger Jahren ist einmal ein Lafite Rothschild von 1799 bei einer Versteigerung aufgetaucht. Da gingen die Gerüchte wieder los, ob dies eine Flasche der legendären Sammlung sei. Damals hat ein Deutscher die Flasche für eine halbe Million Mark gekauft. Stellen Sie sich vor, der Wein war noch trinkbar! Das ging durch die Medien. Da waren auch hier einige, die sich bei mir erkundigen wollten. So etwas legt sich wieder. Seitdem ist diesbezüglich jedenfalls wieder Ruhe eingekehrt. Bis heute.«
Bandura hatte ohne Punkt und Komma geredet. Kluftinger hatte ihn nicht unterbrechen wollen, deshalb hakte er erst jetzt nach: »Doktor Bandura, Sie haben vorhin gesagt, dass gegen Ende des Krieges Sonderkommandos gebildet wurden. Gab es hier in Füssen solche Kommandos?«
»Lassen Sie mich erst noch etwas zu den Rothschilds sagen. Was Sie noch nicht wissen, ist, dass ein großer Teil des Familienschatzes tatsächlich hier im Schloss gelagert wurde. Überwie gend wertvolle Gemälde.«
Kluftingers Kiefer klappte herunter.
»Jetzt freuen Sie sich mal nicht zu früh. Ebenso ist bekannt, dass das meiste davon noch im Jahr vierundvierzig von den Nazis nach Salzburg geschafft worden ist. Aber einiges blieb im Schloss. Das alles wurde sehr gut bewacht. Zwölf Kontrollpunkte mit zwölf Kontrolluhren waren hier installiert, zwölf zivile Wachen patrouillierten Tag und Nacht. Bis die Amerikaner kamen und alles übernahmen. Ob vorher doch noch mal was weggekommen ist, das ist Spekulation. Die Rothschilds haben selbst lange hier gesucht. Einer ihrer Anwälte hat sich hier rumgetrieben und auch ein paar Leuten gutes Geld für Informationen gezahlt.«
Kluftinger fragte noch einmal nach den Sonderkommandos.
»Ach wissen Sie, da gab es so viele. Bestimmt auch hier. Die wurden aus dem Boden gestampft, wenn es nötig war, und dann auch gleich wieder aufgelöst.«
»Halten Sie es für möglich, dass das NS-Regime die Sachen in Seen versenken ließ?« Der Kommissar hielt den Atem an. Plötzlich hatte er selbst die Szene vor Augen: Die letzten Kriegstage. Einige leichte Lastwägen und Motorräder. Junge Soldaten. Der See, der keine Geheimnisse preisgibt.
»Mit Sicherheit ist das geschehen. Die Alliierten haben aus einigen Seen und Weihern nach dem Krieg immer wieder verlötete Kisten herausgezogen. Sie müssen wissen, dass die meisten versteckten Beutegüter oder Schätze ja wieder aufgetaucht sind. Professionelle Schatzsucher sind damals durch halb Deutschland gezogen. Nur einige spektakuläre Dinge sind eben verschollen geblieben. Na ja, und seitdem kommen hier immer wieder Wünschelrutengänger und illegale Schatztaucher her …«, erzählte Bandura ruhig. Kluftinger war aufgeregt. Auf einmal verstand er.
»Was ist dran an den Gerüchten, dass im Alatsee noch Schätze liegen?«, wollte Marx wissen.
Bandura sah sie an und schüttelte den Kopf »Wenn ich zu hundert Prozent wüsste, dass da unten das Bernsteinzimmer oder irgendein Goldschatz liegt, dann hätte ich die nötigen Schritte bereits unternommen«, grinste er. »Im Ernst: Das sind Gerüchte, teilweise Berichte von Augenzeugen, die aber nicht mehr genau nachvollziehbar sind. Ich kann Ihnen da nichts Genaues sagen, tut mir leid. Es hält
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