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Seegrund

Seegrund

Titel: Seegrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kobr Michael Kluepfel Volker
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sich allerdings hartnäckig diese Geschichte von den Lastwagen mit den KZ-Häftlingen, die an den Alatsee gefahren worden seien. Dann habe es sechs Stunden lang Fliegeralarm gegeben, damit sich kein ungewollter Zeuge dorthin verirren würde.«
    »Hat man denn jemals etwas im Alatsee gefunden?«, fragte Kluftinger.
    »Kommt darauf an, was man unter ›etwas‹ versteht. Immer wieder waren und sind an den zugänglichen Stellen Leute mit Metalldetektoren unterwegs. Am Ufer, in den wenigen Flachwasserzonen. Nun war der See lange Zeit militärisches Sperrgebiet, wie Sie wissen müssen. Und da hat sich an Metall einiges angesammelt. Von spektakulären Funden weiß ich allerdings nichts.«
    Kluftinger unterrichtete Bandura detailliert über seinen Fund in der Hütte des Schamanen. Als er geendet hatte, antwortete der Historiker unwirsch: »An die Schlösser- und Seenverwaltung hat bei diesem Fund natürlich niemand gedacht. Sagen Sie Ihrem Chef ruhig, dass für Dinge, die in bayerischen Seen liegen, die bayerischen Wasserwirtschaftsämter oder aber wir zuständig sind und nicht irgendwelche Kollegen aus Berlin, die Ihr Herr Lodenmacher da verständigt hat. Wann, sagen Sie, kommen die Herrschaften?«
    Kluftinger war nicht auf die gereizte Reaktion Banduras gefasst gewesen. Er wollte auch nicht den Sündenbock für seinen Vorgesetzten abgeben. »Wie gesagt, es tut mir sehr leid, aber das hat unser Chef versaubeutelt. Die Herren müssten eigentlich heute im Lauf des Tages noch kommen.«
    »Gut, auch bei Ihnen werden Funktionsstellen wohl nicht vorwiegend nach Qualifikation besetzt, wie? Na ja, warum sollte das bei der Polizei anders sein als in allen anderen Behörden«, schimpfte der Historiker und klang dabei ziemlich resigniert. »Wenn Sie dann bitte veranlassen, dass ich bei allen Aktionen hinzugezogen werde, ja? Ich bin hier noch bis sieben Uhr unabkömmlich, dann rufen Sie mich bitte an.« Bandura reichte Kluftinger eine Visitenkarte. Dann gab er zuerst Marx, danach Kluftinger die Hand und geleitete die beiden zur Tür.
    »Wir sehen uns, Frau Marx, Herr Kluftinger«, sagte er zum Abschied und es klang wie eine Order.
    Friedel Marx stellte jedoch noch eine Frage, die sie die ganze Zeit beschäftigt hatte: »Eine letzte Frage, Herr Bandura. Rein interessehalber. Sind eigentlich alle Führer hier im Schloss Historiker? Da sind Sie ja wohl reichlich überqualifiziert, oder?«
    Bandura lachte verächtlich, bevor er antwortete. »Machen Sie Witze? Das sind Hausfrauen, Studenten und ehemalige Zeitsoldaten, die ins Berufsleben eingegliedert werden sollen. Völlig unqualifiziertes Pack. Ich bin im Laufe der so viel gepriesenen Verwaltungsreform dazu verdonnert worden. Der bayerische Staat möchte sich nicht mehr so viele Historiker in den Schlössern leisten. Alles sei schließlich zur Genüge dokumentiert, aufbereitet und erforscht. Letztes Jahr haben sie mich vor die Wahl gestellt: Ich hätte als Geschichtslehrer an eine Schule wechseln können. Das wäre mein Untergang gewesen! Und so muss ich zwei Tage in der Woche immer denselben Text aufsagen, den ich irgendwann selbst entworfen habe. Das macht sie mürbe. Sie stumpfen irgendwann völlig ab. Da ist es Ihnen auch egal, ob die Schulklassen, die hier durchgeschleust werden, zuhören, oder nicht. Ich lebe für die drei Tage, an denen ich meiner eigentlichen Arbeit am Schreibtisch und in den Denkmälern nachgehen kann.«
    Kluftinger und seine Kollegin hatten beinahe Mitleid mit dem birnenförmigen Mann. Wahrscheinlich hatte er sich Frustspeck angefressen.
    Bandura setzte nun wieder sein teilnahmsloses Gesicht auf und wechselte in den leiernden Singsang, den sie bei der Führung von ihm gehört hatten: »Ich darf Sie nun bitten, sich über die hundertsechsunddreißig Stufen der Wendeltreppe in die Schloss küche zu begeben, die für damalige Zeiten modernste Großkü che Europas: Details können Sie den unten angebrachten Hin weistafeln entnehmen. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass auch in den Treppenhäusern, in der Schlossküche wie auch im schlosseigenen Andenken-Shop das Rauchen untersagt ist. Bitte achten Sie auf der Treppe auf Ihren Kopf, die Tür ist nur einen Meter neunzig hoch. Vielen Dank und auf Wiedersehen.« Er seufzte tief und schloss die Tür hinter den beiden Beamten.
    Wie auf Kohlen hatten sie über drei Stunden untätig in der Füssener Polizeistation gesessen. Nur Friedel Marx hatte kurz ihr Büro verlassen, um sich an der Tankstelle drei neue Schachteln

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