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Seegrund

Seegrund

Titel: Seegrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kobr Michael Kluepfel Volker
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worden.«
    »Soso.« Kluftinger stand auf. Es war Zeit, zu gehen. Den Sud aus verschiedenen Wurzeln, den ihm der Schamane anbot und in den er zuvor noch Tannenreisig und etwas, das aussah wie Sägemehl, gegeben hatte, lehnte er dankend ab.
    »Dann wirst du krank«, prognostizierte ihm Schnalke, doch das war Kluftinger egal. Er würde krank werden, wenn er noch länger hier bliebe. Als er aus dem Fenster geklettert war, wirkte die schneidend kalte Luft wie eine Befreiung. Er drehte sich noch einmal um und sah, wie der Mann ein Scheit aus dem Ofen nahm, es ausblies und mit dem qualmenden Holz Kreise über dem Strohsack in die Luft malte, auf dem Kluftinger eben gesessen hatte. Kopfschüttelnd wandte sich der Kommissar um und ging schnellen Schrittes in Richtung See.
    Als er ihn schon fast erreicht hatte, hielt er auf einmal inne, weil aus der Hütte Musik ertönte, die klang, als komme sie von einer Harfe.
    Noch einmal drehte er sich um und sah Norbert Schnalke am Fenster stehen. Im Arm hielt er eine kleine Lyra, auf der er mit einer Hand herumzupfte. Er rief ihm etwas nach: »Es würde mich nicht wundern, wenn der Seegrund die Antwort auf deine Fragen hätte.«
    Als Kluftinger die Gaststätte am Ostufer des Sees betrat, schlug ihm feuchtwarme Luft entgegen, angereichert mit allerlei kräftigen Düften. Es roch nach gebratenem Fleisch, nach frisch gekochter Suppe, nach … Kluftinger überlegte, welche Gewürze es waren, die besonders hervorstachen … genau: Paprika und Kümmel. An den Wänden hingen Fotos von Landschaften, die ganz offensichtlich nicht das Allgäu zeigten. Auf manchen waren riesige, ziemlich flache Grassteppen zu sehen, auf anderen helle Pferde, riesige Kuhherden, tanzende Menschen und hölzerne Schöpfbrunnen.
    Er sah seine Kollegen auf einer Eckbank am Fenster die Speisekarte studieren und setzte sich zu ihnen. Als sie ihn fragten, was er denn eben so lange gemacht habe, winkte er ab und griff sich ebenfalls die Karte. Schnell hatten sie alle gewählt: Strobl bestellte sich eine Forelle »Müllerin«, während Friedel Marx sich für ein paniertes Schnitzel entschied – überbacken mit Bergkäse, dazu Pommes »mit ordentlich Mayo«, wie sie verlangte, und Kartoffelsalat. Auf Nachfrage des Obers bestätigte sie tatsächlich: »Ja, beides, Pommes und Kartoffelsalat. Ich mag Kartoffeln.«
    »Ich nehm die Kässpatzen«, sagte Kluftinger und schüttelte leicht den Kopf, als er an die Zusammenstellung dachte, die seine Kollegin gewählt hatte.
    »Die von der Tageskarte?«, erkundigte sich der Ober noch einmal beim Kommissar, was dieser mit einem Kopfnicken quittierte.
    »Das Lokal hat vor ein paar Jahren ein Ungar übernommen«, sagte Marx und blies dabei Kluftinger den Rauch eines frisch angezündeten Zigarillos ins Gesicht. »Deswegen auch die Fotos von der Puszta«, ergänzte sie.
    »Ja, ja, freilich. Schön, die Puszta«, antwortete der Kommissar und ließ sich sein Erstaunen über die Geographiekenntnisse seiner Kollegin nicht anmerken.
    Bis der Ober das Essen brachte, unterhielten sie sich angeregt über den Fall, und es entspann sich zum ersten Mal so etwas wie ein kollegiales Miteinander. Dann kam das Essen.
    »Einmal das Schnitzel für die Dame … die Forelle … und die Kässpatzen ungarischer Art.«
    Kluftinger hatte bereits angesetzt, um dem Ober ein »Danke« zu erwidern, da erstarrte er mit offenem Mund.
    »Wohl bekomm’s, die Herrschaften«, sagte der Ober und wuselte davon.
    Mit großem Appetit machten sich Kluftingers Kollegen über das Essen her, während er mit weit aufgerissenen Augen auf den Teller vor sich starrte: Es waren unverkennbar Spätzle, die darauf lagen, allerdings nicht gelblich-weiß, sondern rötlich – unter einem Berg Paprika, Zwiebeln und etwas, das aussah wie zu lange gebratene Peperoni.
    »Dass du die ungarischen Kässpatzen genommen hast, hätte ich nicht gedacht. Du wirst noch mal richtig weltmännisch«, sagte Strobl mit vollem Mund. Kluftinger hob den Kopf und betrachtete die Tafel, die neben der Eingangstüre hing: »Kässpatzen ungarische Art« stand dort, direkt darüber prangte das Wort »Tageskarte«.
    Er begann zu schwitzen. Es machte jetzt keinen Sinn, darüber zu lamentieren, wie jemand auf die aberwitzige Idee kommen konnte, Kässpatzen mit Gulasch oder Letscho zu kreuzen. Tatsache war, dass das Ergebnis dieser Kreuzung nun dampfend vor ihm auf dem Tisch stand.
    »Haben Sie keinen Hunger?«, fragte Friedel Marx und der lange Käsefaden, der sich von

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