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Seegrund

Seegrund

Titel: Seegrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kobr Michael Kluepfel Volker
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Qualm.
    Aufgeregt lief Kluftinger darauf zu. Von hier hatte man einen ungehinderten Blick fast auf den ganzen See. Wenn dort jemand … Er wagte nicht, den Gedanken zu Ende zu denken. Er umrundete die Hütte, dann blieb er mit hängenden Schultern stehen. So etwas hatte er noch nie gesehen: Sie hatte keine Tür. Irritiert ging er zu einem der kleinen Fenster und drückte sein Gesicht dagegen. In der Hütte war es zu dunkel, als dass er etwas hätte erkennen können. Er ging noch näher heran und hielt die Handflächen schützend um seine Augen. Aber es war einfach nichts …
    »Was willst du?«
    Mit einem Satz drehte sich Kluftinger um. Sein Herz hatte einen Schlag übersprungen, so war er erschrocken. Erst nach ein paar Sekunden fing er sich wieder und sah, wer da vor ihm stand. Oder besser gesagt: was. Sein Gegenüber war etwa einen Kopf größer als er selbst, seine Augen leuchteten hell aus der sonnengegerbten, ledrigen Haut, die zum großen Teil von einem zotteligen Vollbart verborgen wurde. Die dunkelblonden Haare waren zu dicken, filzigen Würsten zusammengedreht, an deren Spitzen bunte Glasperlen gegeneinander klackten. Eine vollverspiegelte Sonnenbrille, die der Mann über die Stirn geschoben hatte, hielt ihm die Strähnen aus dem Gesicht. Obwohl es sehr kalt war, hatte er nur eine Jeans und einen grauen Wollpulii an. Auf seinen Unterarmen ruhte ein großer Stoß langer Holzscheite und Reisig.
    »Hallo, hörst du mich?«
    Der Kommissar räusperte sich. »Grüß Gott, Kluftinger, Kripo Kempten. Ich wollte fragen, ob Sie gestern auch hier gewesen sind.«
    »Ich bin immer hier, denn nur hier wird meine Seele eins mit dem Qi des Waldes«, sagte sein Gegenüber.
    Kluftinger hob die Augenbrauen. Er ging gar nicht auf die blumige Erklärung ein und fragte weiter: »Auch zwischen sechs und zwölf Uhr?«
    »Was ist schon Zeit? Was sind Stunden, Minuten im großen Kontext des Seins?«
    Kluftinger runzelte die Stirn. Alkohol? Mentale Störung? Vielleicht auch Drogen, dachte er. So wie der Mann aussah … Er startete einen letzten Versuch mit einer ganz einfachen Frage: »Wie heißen Sie?«
    »Sie nennen mich ›Der mit dem Wald lebt‹. Ich bin der örtliche Schamane«, antwortete der Mann und trieb damit dem Kommissar die Zornesröte ins Gesicht. Es kam ihm vor, als wolle ihn der zottelige Schrat zum Narren halten.
    »Jetzt passen Sie mal auf: Ich bin Kluftinger, Kriminalhauptkommissar, auch genannt ›Der sich nicht gern verarschen lässt‹. Und jetzt hätte ich gerne Ihren vollen Namen, klar?«
    Der andere schien von der Schärfe in Kluftingers Worten irritiert und presste dann zähneknirschend hervor: »Schnalke. Norbert Schnalke.«
    Kluftinger hatte alle Mühe, nicht spontan loszulachen, so sehr stand der Name des Mannes in Widerspruch zu seinem esoterischen Naturgehabe.
    »Na also, Herr Schnalke«, erwiderte Kluftinger genüsslich und hatte das Gefühl, als zucke der Mann bei der Nennung seines Namens regelrecht zusammen, »waren Sie nun gestern hier oder nicht?«
    »Ja, ich war hier«, antwortete er etwas weniger poetisch und zappelte dabei unruhig hin und her. »Wieso willst du das denn wissen?«
    Kluftinger ignorierte die Tatsache, dass ihn der Fremde duzte und fuhr fort: »Nun, wenn dem so ist, hätte ich ein paar Fragen an Sie.«
    »Können wir dazu reingehen?«, fragte der selbsternannte Schamane und deutete dabei mit dem Kopf auf seine Füße. Erst jetzt bemerkte der Kommissar, dass er weder Schuhe noch Socken trug. Nun war ihm auch klar, weshalb er so unruhig hin und her zappelte.
    »Natürlich«, sagte Kluftinger, besann sich dann aber, dass er ja gar keine Tür gesehen hatte und fügte hinzu: »Nach Ihnen.«
    Schnalke ging an ihm vorbei, drückte das kleine Fenster auf, vor dem sie standen, schmiss das Holz hinein und hechtete hinterher. Kluftinger sah, wie er sich im Inneren auf einer Matratze abrollte.
    »Wo wär denn die Tür?«, rief ihm Kluftinger unsicher hinterher. Ihm war klar, dass er einen ähnlich akrobatischen Einstieg nie und nimmer hinbekommen würde.
    »Keine Tür!«
    »Keine Tür?«
    »Nein, da haut das Qi ab.«
    »Aha, und wer bitte ist dieses Tschi? Ist das Ihr Haustier, oder was?«
    Kluftinger stellte sich ein Wiesel oder einen ähnlichen Nager vor.
    Der Mann sah ihn mit großen Augen an und trat ans Fenster. »Das Qi ist die Lebensenergie, die uns alle durchströmt. Auch dich!« Dann drehte er sich vom Fenster weg und rief ihm über die Schulter zu:
    »Neben dem Fenster liegt ein

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