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Seegrund

Seegrund

Titel: Seegrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kobr Michael Kluepfel Volker
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ihrer Unterlippe bis zum Schnitzel auf ihrem Teller zog, lenkte den Kommissar für einen kurzen Moment ab. Er wollte sich vor seiner Kollegin keine Blöße geben und auch Strobl wollte er nicht Lügen strafen. Also ignorierte er einfach die Tatsache, dass das, was sich da vor ihm auf dem Tisch befand, einer kulinarischen Vergewaltigung seiner Leibspeise gleichkam. Als er sich die erste Gabel in den Mund schob, wiederholte er innerlich wie ein Mantra, dass es sich nur um Spätzle handle – viel zu weich gekochte, wie er ganz nebenbei bemerkte –, die mit einer Menge undefinierbaren Gemüses und ein paar zu scharfen Gewürzen angerichtet waren.
    Der Selbstbetrug half. Nicht gut, aber besser, als er dachte. Als er alles mit einem großen Schluck Spezi hinunterspülen wollte, bemerkte er, dass das Bier und der Korn, den seine Kollegin bestellt hatte, vor ihm standen, bei ihr dagegen sein alkoholfreies Getränk.
    Offenbar war der Ober in der Annahme, eine solche Kombination könne nur ein Männermagen verkraften, für diese Verwechslung verantwortlich. Und ein wenig fühlte sich Kluftinger tatsächlich in seiner Männlichkeit gekränkt, obwohl er sich schon als Jugendlicher selten an pubertären, angeblich männliche Härte unter Beweis stellenden Sauf- und Fressgelagen beteiligt hatte.
    Marx war mit den Pommes Frites schon fast zu Ende und machte sich nun über den Kartoffelsalat her.
    Er nahm noch ein paar Bissen des lukullischen Zwitters zu sich, wobei er einmal mehr feststellte, dass der Grundsatz seines Vaters in solchen Situationen – »Der Hunger treibt’s nei!« – nicht auf jede beliebige Konstellation von Lebensmitteln anwendbar war. Dann schob er den Teller beiseite und sagte: »Ich lass mal den Wirt kommen, dann können wir ihn wegen gestern fragen.«
    Die anderen nickten nur. Sie waren noch zu sehr mit ihrem Essen beschäftigt. Angewidert beobachtete Kluftinger, dass Friedel Marx während des Essens ab und zu an ihrem Zigarillo zog.
    Plötzlich hallte eine schrille Stimme durch den Raum: »Wos? Keina gutän Spatzän?« Ein kleiner Mann mit dunklem Haar, das ihm bis zu den Schultern reichte, marschierte schnurstracks auf den Kommissar zu, seinen Blick zwischen ihm und seinem halbvollen Teller hin und her schwenkend. Kluftinger verstand sofort: »Nein, nein, das Essen war gut, ich hab Sie nur rufen lassen, weil …«
    »Wos? Geb ditsch neu, kain Probläm.«
    Kluftinger spürte, wie sich die Aufmerksamkeit der anderen Gäste des Lokals auf seinen Tisch verlagerte. Seine Wangen glühten. »Nein, wirklich nicht, es war sehr gut, sehr, sehr gut«, beeilte er sich, zu sagen. »Ich möchte nachher noch weiter essen.«
    Doch der Wirt wiederholte nur stoisch »Kain Probläm« und wollte Kluftinger den Teller wegziehen. Der hielt ihn aber fest und versicherte, dass er noch gar nicht fertig sei, er habe nur eine Pause gemacht und er habe ihn wirklich wegen etwas anderem rufen lassen. Es entstand ein kurzes Gerangel, bis Kluftinger der Kragen platzte, er mit der flachen Hand auf die Tischplatte schlug und zischte: »Setzen! Polizei!«
    Der Wirt sah ihn mit großen Augen an und nahm Platz. Ob es wegen der Autorität in Kluftingers Stimme war oder wegen der, die in dem Wörtchen Polizei mitschwang, wusste der Kommissar nicht.
    Kluftinger versuchte, den Ungarn zu beruhigen. »Es ist nichts passiert, hören Sie? Wir haben nur ein paar Fragen.«
    Der Wirt starrte ihn weiter mit weit aufgerissenen Augen an.
    »Nix pa-ssiert? Ver-stan-den?«
    Der Wirt zeigte keine Reaktion.
    Kluftinger dachte kurz nach und versuchte es mit einer anderen Wendung: »Kein Problem …«
    Jetzt hellte sich der Blick seines Gegenübers auf und er nickte heftig. »Kain Probläm, kain Probläm«, wiederholte er. Ganz offensichtlich schienen sich die wenigen Brocken Deutsch, die der Wirt beherrschte, auf diese Redewendung und ansonsten auf kulinarische Belange zu beschränken.
    »Hören Sie, Herr …«
    »Székesfehérvár.«
    Kluftinger stutzte. Der Name erschien ihm völlig unaussprechlich. Höflichkeitshalber nickte er dennoch und wiederholte den Namen, nuschelte dabei aber so stark, dass das, was dabei herauskam, ein bisschen wie »Scheckbetrüger« klang. »Wir müssen etwas Wichtiges fragen. Haben Sie das verstanden?«
    Der Mann blickte unsicher in die Gesichter der zwei anderen Beamten am Tisch und begann zaghaft zu nicken.
    »Gut. Also, ist Ihnen hier irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen? Haben Sie etwas am See gesehen? Gestern, meine

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