Seegrund
Verstimmungen geführt, denn der Baukasten war für Kinder ab zwölf gewesen – und wurde drei Tage später gegen einen ferngesteuerten Geländewagen umgetauscht. Aber auch ihre jetzige Arbeitsteilung hatte schon zu peinlichen Situationen geführt, wenn sich etwa seine Mutter mit Tränen in den Augen für das »wunderbare Präsent« bedankte und ihn fragte, wie er denn auf diese Idee gekommen war – und er nicht einmal wusste, was sie ihnen da unter den Baum gelegt hatten. So war er im Laufe der Jahre etwas aus der Übung gekommen, was das Schenken anging. Zwar wusste er wohl, dass viele Frauen gern Schmuck, Reisen oder teure Kleidung zu Weihnachten bekamen, von edlem Parfüm oder Kosmetika ganz zu schweigen. Aber Erika freute sich mehr über praktische Dinge, mit denen man auch etwas anfangen konnte. Glaubte Kluftinger jedenfalls. Zu Weihnachten hatte sie früher meist etwas für die Küche bekommen, gerne auch neue Errungenschaften der Technik wie ein Rotationsgrillgerät oder einen Heißen Stein, die man dann etwa dreimal verwendete: das erste Mal an Silvester, danach noch an zwei Geburtstagen. Den Rest ihres fast noch jungfräulichen Daseins fristeten sie dann ungenutzt im Schrank.
Kluftinger sah sich um. Er kam sich ein wenig deplatziert vor, hier, inmitten von Büstenhaltern, Strumpfhosen und knappen Tangas. Erleichtert nahm er zur Kenntnis, dass er außer einer älteren Dame und einem Ehemann, der ähnlich hilflos wie er selbst dreinblickte, der einzige Kunde in der Abteilung war.
Er beobachtete den anderen Mann aus den Augenwinkeln: Der steuerte ziellos zwischen den Wäschebergen umher und machte sich schließlich an einer Auslage mit rosaroten Tangaslips zu schaffen. Der kauft nie und nimmer für seine Frau ein, mutmaßte der Kommissar und verfolgte weiterhin dessen Einkauf, wobei er beiläufig und ohne wirklich hinzusehen die Artikel an einem Wäscheständer durchstöberte.
Ein Räuspern neben ihm ließ ihn kurz zusammenfahren: Die ältere Dame stand nun ebenfalls an dem Ständer und gab ihm zu verstehen, dass sie sich die Artikel auch gerne etwas näher ansehen würde. Erst jetzt sah er, wo er da eigentlich stand: In seiner Hand hielt er ein fleischfarbenes Stützkorsett. Mit hochrotem Kopf hängte er es zurück und eilte einige Ständer weiter. Als dabei sein Blick zufällig den des anderen Mannes traf, hätte er schwören können, dass ein Grinsen über dessen Gesicht huschte.
Der Kommissar sah sich nach einer Verkäuferin um. Normalerweise konnte er Beratungsgespräche bei Kleidungseinkäufen überhaupt nicht leiden, aber in diesem Fall war es etwas anderes: Diese Ecken der Geschäfte waren sensible Bereiche, in denen er ein Fremder, ein Eindringling war. Und er hatte das Gefühl, dass ihn die Kundinnen das mit missbilligenden, zumindest aber misstrauischen Blicken auch merken ließen. Ein »So, schon was gefunden, mein Herr?« ließ Kluftinger aufschrecken. Vor ihm stand eine Verkäuferin mittleren Alters.
»Äh, wie bitte?«, krächzte er. Seine Stimme war belegt.
»Sie suchen einen Bademantel für die Gattin?«
»Bademantel. Such ich. Ja.«
»Irgendetwas Besonderes, was Sie sich vorstellen?«
»Nein … ich meine … ja, einen Bademantel halt. Was Besonderes schon, ist ja ein Weihnachtsgeschenk.« Der Kommissar war, was solche Verkaufsgespräche anging, nicht eben versiert. Zumal, wenn es sich um Damenbekleidung drehte.
»Also, ich würde Ihnen zu einem edlen Modell von Gabbiani raten. Die sind außen aus Seide und innen aus einem ganz flauschigen Samtfrottee, das gefällt jeder Frau. Sehen Sie …« Die Verkäuferin entfernte sich ein Stück, ging zu einem Kleidungsständer und kam mit einem glänzenden, rosa-violett gestreiften Modell wieder. »Ist das nicht toll? Fühlen Sie mal …«
Zögerlich streckte der Kommissar seine Hand aus und strich schnell über den Stoff. »Ja, schön weich. Was kostet der?«
»Qualität hat natürlich ihren Preis. Ist auch von Gabbiani. Etwas Besonderes eben«, trällerte die Verkäuferin.
»Also …?«, hakte Kluftinger ungeduldig nach, wobei er insgeheim bereits wusste, dass Erika und der Gabbiani aus pekuniären Gründen wohl nicht zueinander finden würden. »Hundertfünfzig – mit einer sehr repräsentativen Geschenkpackung.«
Kluftinger musste schlucken, bevor er antworten konnte: »Dreihundert Mark? Für einen … Bademantel?« Das letzte Wort klang so abschätzig, als handele es sich dabei um eine ansteckende Krankheit. Soviel hätte er nicht
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