Seegrund
Kluftinger dem Professor. »Da unten, da liegt etwas.«
»Hören Sie, Sie haben ja selbst gesehen, dass da jede Menge herumliegt.«
»Nein, ich meine etwas Kleineres. Kann der Roboter auch etwas mit nach oben nehmen?«
Klaus drehte sich um und blickte den Professor fragend an. Als der zögernd nickte, sagte er: »Ja, wenn’s der Greifer erreichen kann und es nicht zu schwer ist.«
»Schauen Sie mal das da unten, die … Stange.«
Alle beugten sich nach vorn und starrten auf das vielleicht einen halben Meter lange Metallteil, das sich unter dem aufgewirbelten Dreck abzeichnete.
»Das klappt bestimmt nicht, das bekomme ich nicht zu fassen«, schüttelte Klaus den Kopf.
»Versuchen Sie es«, beharrte Kluftinger.
Der Professor nickte seinem Mitarbeiter bestätigend zu.
Klaus stand auf und kramte in einem Alukoffer, der an der Schiebetür des Kombis lehnte. Schließlich zog er einen schwarzen Handschuh mit allerlei bunten Kabeln daran heraus. »Das dauert eine Weile, bis wir die Hand und den Greifarm zum Laufen gebracht haben.«
»Wunderbar, die Zeit nutze ich!«, freute sich Friedel Marx, die bereits seit einigen Minuten mit einem nicht angezündeten Zigarillo herumspielte. »Ich geh eine rauchen. Ruft’s mich halt, wenn’s weitergeht!«
Sowohl Friedel Marx als auch der Professor, der sich der Rauchpause angeschlossen hatte, saßen zehn Minuten später wieder im Bus. Auf dem Bildschirm war nun zu sehen, wie der Roboter einen Greifarm ausstreckte und ungelenk in Richtung der Stange schob. Der Greifer führte dabei genau die Bewegungen aus, die Klaus mit seinem Kabelhandschuh machte. Die Beamten hielten den Atem an. Mehrmals rutschte der Greifer an der Stange ab, doch beim vierten Versuch hatte er sie.
»Auftauchen«, sagte Kluftinger und stürzte nach draußen, der Professor folgte ihm.
Am Seeufer wippte er ungeduldig von einem Bein auf das andere, bis der Roboter endlich wieder an Land war. Es dauerte ihm viel zu lange, bis sie ihn aus dem Wasser hatten und der Professor mit dem Gegenstand, den sie gerade der Dunkelheit des Seeufers entrissen hatten, auf ihn zukam. Inzwischen hatten sich praktisch alle Mitglieder des Forschungsteams um sie geschart; selbst der Professor war nun zu aufgeregt, um sie an die Arbeit zu schicken. Er händigte Kluftinger das Teil aus. Es war schwer, das war das Erste, was Kluftinger auffiel. Er wog es in seinen Händen: Es mochte gut und gerne drei Kilo auf die Waage bringen. Er wusste nicht sofort, was er da in Händen hielt: Es war ein S-förmig gebogener Gegenstand, über und über mit verkrustetem Schlamm bedeckt. Er fuhr mit der Hand darüber. Der Belag ließ sich leicht entfernen. Zum Vorschein kam eine Metallstange, genauer gesagt ein seltsam gebogenes Werkzeug, das an eine Brechstange oder ein Nagel- oder Montiereisen erinnerte. Am Ende hatte es eine Kralle wie ein alter »Kuhfuß«.
»Das Ding hat seit sechzig Jahren kein Sonnenlicht mehr gesehen«, sagte er schließlich, den Blick starr auf das Eisen gerichtet.
»Woher wollen Sie das denn so genau wissen?«, erkundigte sich der Professor.
»Hier«, erwiderte Kluftinger und deutete auf eine Stelle an dem Gegenstand. In das Eisen waren mehrere Buchstaben eingestanzt:
»RLM – ZeppW ST-RU-SGRD« stand darauf. Und dahinter prangte, ebenfalls als Negativrelief ins Eisen eingelassen, ein Hakenkreuz.
Auf dem Weg ins Wasserwirtschaftsamt fiel Kluftingers Blick immer wieder auf das Werkzeug neben ihm. Ihn schauderte bei dem Gedanken daran, worauf sie da im See gestoßen waren. Noch hatten sie keinen Schimmer, worum es sich bei den seltsamen Aufbauten im See handelte. Die Buchstaben auf dem Eisen hatte ein Student als Abkürzung für »Reichsluftfahrtministerium« gedeutet. Klaus, der junge Mann mit der Schieber mütze, hatte dagegen abgewinkt: Wahrscheinlich die Initialen der Herstellerfirma. Und das Hakenkreuz bedeute noch lange nicht, dass das Teil tatsächlich in dieser Zeit in den See gefallen war. Der Professor hatte ihm zugestimmt: In so einem See lande im Laufe der Zeit alles Mögliche.
Kluftinger hätte ihnen nur allzu gerne zugestimmt. Doch das hätte noch nicht ihre weiteren Entdeckungen auf dem Grund erklärt. »Und diese riesigen Pfeiler? Hat da jemand mal eben seine Gartenabfälle und sein altes Bauholz entsorgt?«, hatte Kluftinger wütend die Kommentare der Wissenschaftler quittiert. Es war ihm ein Rätsel, warum sie nicht sehen konnten, was doch so offensichtlich war. Oder nicht sehen wollten, dachte er
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