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Seegrund

Seegrund

Titel: Seegrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kobr Michael Kluepfel Volker
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und blickte Yumiko dabei so überzeugt an, dass ihr keine andere Wahl blieb, als zuzustimmen.
    Sie stiegen also wieder in den Mercedes ein, wobei diesmal Kluftinger senior das Steuer übernahm, weil er ja mehr Fahrpraxis habe, defensiver und umsichtiger fahre und vor allem als Einziger das Geld besitze, einen möglichen Schaden an der Medizinerkarosse zu ersetzen. Mit einem beleidigten »Alles klar« setzte sich Markus neben Yumiko in den Fond.
    Unter nochmaligen heftigen Protesten seiner Frau und seines Sohnes fuhr er bis zur Schranke vor, drückte den Knopf für die Sprechanlage und verschaffte sich mit den Worten »Kluftinger, Kriminalpolizei« Einlass. Noch während sie ihr Auto parkten, rannte ein aufgeregter Mitarbeiter des Musicals zu ihnen und fragte, ob etwas passiert sei. Kluftinger, der damit nicht gerechnet hatte, fiel auf die Schnelle keine Ausrede ein. »Ich darf Ihnen dazu nichts sagen«, blaffte er den Mann scharf an, der augenblicklich schwieg. »Und Sie reden darüber auch nicht. Zu niemandem, hören Sie?« Er warf ihm noch ein paar unverständlich gemurmelte Sätze mit Worten wie »inkognito« und »Beschattung« hin und ließ den verstört wirkenden Mann dann auf dem Parkplatz stehen.
    »Zieh dich am besten gleich mal um«, schlug Erika ihrem Mann vor, nachdem sie mit einem ehrfürchtigen »Oh« die helle Empfangshalle betreten hatte. Selbst Kluftinger war von der schlichten Eleganz angetan. Dann drückte Erika ihm eine Tüte mit den von ihm am Telefon georderten Kleidungsstücken in die Hand. »Da drüben«, fügte sie an, als er sich ratlos umsah, und zeigte auf ein Toilettenschild.
    »Komm mal mit«, flüsterte Kluftinger seinem Sohn zu und ging in die gewiesene Richtung. Vor der Tür zum WC angekommen, sah sich der Kommissar verschwörerisch um und sagte: »Bleib bitte hier stehen und pass auf, dass keiner reinkommt.«
    Mit großen Augen blickte Markus ihn an. »Spinnst du? Was soll ich denn machen, wenn jemand mal biseln muss? Sagen, dass da drin gerade eine geheime Polizeiaktion läuft?«
    Kluftinger verzog das Gesicht. »Sehr komisch. Sag halt, dass das Klo geschlossen ist.«
    »Sicher nicht. Zieh dich doch in einer Kabine um.«
    »Die sind viel zu eng. Und soll ich meine Sachen dann so lange in die Kloschüssel legen?«
    »Jetzt stell dich doch nicht so an.«
    »Herrgottnochmal, tu halt auch mal was für deinen Vatter. Ich hab früher auch immer …«
    »Jetzt geht die Leier wieder los. Also gut, geh schon rein.«
    Mit einem zufriedenen »Na also« betrat Kluftinger das WC. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, tippte sich Markus mit dem Zeigefinger an die Stirn, schüttelte den Kopf und ging zu den beiden Frauen, die sich gerade im Souvenirladen umsahen.
    In der Toilette hatte Kluftinger inzwischen seine Kleidung im gesamten Raum verteilt: Sein Sakko, seine Anzughose, das Hemd und die Krawatte hingen an der Türklinke einer jeweils anderen Kabine; seine gebrauchte Kleidung legte er ins Waschbecken, das er vorher mit der Tüte ausgekleidet hatte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er noch eine lange Unterhose anhatte. Da er keine kürzere bei seiner Frau bestellt hatte, er aber befürchtete, dass es ihm im Musical damit zu heiß werden könnte, begann er, das lange Modell über seine Knie nach oben zu krempeln. Genau in diesem Moment öffnete sich die Tür und ein Mann in dunklem Anzug mit samtroter Fliege betrat das Klo.
    Ein paar Sekunden blieb der Mann entsetzt stehen, dann machte er auf dem Absatz kehrt und verließ die Toilette. Kluftinger stand wie erstarrt da und schluckte. Erst jetzt, nachdem der Mann das stille Örtchen bereits wieder verlassen hatte, kam die Scham in heißen Wellen und ließ seinen Kopf knallrot anlaufen. Er ging zur Tür und rief heiser flüsternd durch sie hindurch: »Markus?«
    Keine Antwort.
    »Markus, hörst du mich?« Draußen blieb es still. In Kluftinger keimte ein Verdacht auf. Hektisch sammelte er seine Sachen zusammen, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür und zog sich in dieser Stellung heftig schnaufend um. Als er fertig war, stellte er sich ans Waschbecken und sah in den Spiegel: Um seine Augen lagen tiefe Schatten, seine Nase war vom vielen Schnäuzen gerötet. Er wusch sich das schweißnasse Gesicht, trocknete es mit einigen kratzigen Papierhandtüchern, band sich seine Krawatte und verließ die Toilette.
    Als er die anderen wieder fand, die gerade in einem Bildband über Schloss Neuschwanstein blätterten, zischte er Markus zu:

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