Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seegrund

Seegrund

Titel: Seegrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kobr Michael Kluepfel Volker
Vom Netzwerk:
Besuch?«, hallte Wagners tiefe Stimme durch den Raum.
    »Ja, zwei Herren von der Polizei. Sie wollen eine Auskunft von dir wegen des Musicals.« Frau Wagner erhob sich eilig: »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Ich habe Sie in der Aufregung gar nicht gefragt! Möchten Sie Tee, Kaffee, Wasser …«
    Kluftinger, der sich in den letzten Tagen wegen seiner Erkältung regelrecht ans Teetrinken gewöhnt hatte, orderte einen solchen mit Kräutern. Frau Marx und Herr Wagner schlossen sich an und die Hausherrin verschwand in die Küche.
    Nachdem sie sich bekannt gemacht hatten, setzten sich Wagner und die Polizisten wieder. Auf der Glasplatte des Tisches lag nach wie vor das Bild des Opfers. Völlig unvermittelt nahm Wagner es an sich und sagte: »Ich kenne diesen Mann nicht. Nie gesehen.«
    Kluftinger stutzte. Weder hatte Wagner mitbekommen, dass sie über das Bild gesprochen hatten, noch hatte er ihn danach gefragt. Ein solch massiver, vorauseilender Gehorsam war seltsam.
    »Ach was? Sehen Sie es sich bitte genau an. Denken Sie nach!«, forderte Kluftinger ihn auf.
    »Guter Mann. Ich sagte Ihnen, ich weiß es nicht. Ich sagte es Ihnen, noch bevor Sie mich fragten.«
    Eben das war es, was Kluftinger stutzig gemacht hatte.
    »Eben. Wie kommen Sie denn darauf, dass ich Sie diesbezüglich etwas fragen will?« Das Gespräch hatte eine völlig andere Wendung genommen, als gedacht.
    »Herr Polizist«, setzte der Architekt erneut an, mit einer Anrede, die der Kommissar sonst nur von alten, resoluten Damen kannte, die mit ihrer Handtasche drohten. »Ich dachte zu wissen, die Frage nach der Identität des Mannes sei die erste, die Sie mir stellen würden.«
    Der Kommissar brauchte eine Weile, um die vielen komplizierten Verbkonstruktionen, Konjunktive und Imperfekte zu entwirren. In diese Pause polterte Frau Marx in rüdem Ton: »So, jetzt mal Karten auf den Tisch, Wagner! Wer ist das?«
    Unvermittelt erklang die Stimme von Frau Wagner, die mit einem runden Silbertablett mit vier Teegläsern und einer Kanne wieder völlig geräuschlos zu ihnen getreten war: »Schlimm mit dem Christoph, nicht wahr, Tassilo?«
    Ihr Mann sah mit geschürzten Lippen zu ihr auf.
    »Hm?« Wagner schien zu überlegen, wie er ihr antworten solle.
    »Mit dem Christoph!«
    »Käthe! Ich weiß nicht, worauf du anspielst!«
    Kluftinger sah nur zu. Er wusste, dass er jetzt nicht eingreifen musste, dass sich die Situation von allein in die gewünschte Richtung entwickeln würde.
    »Also Tassilo. Hat dir der Kommissar denn noch nichts erzählt? Der Junge auf dem Foto, das ist doch der Christoph Röck! Hans’ Sohn!«
    In Wagners Gesicht konnte Kluftinger deutlich lesen, dass er seine Taktik geändert hatte.
    »Ja! Jetzt als du es sagtest, kam es mir auch in den Sinn!« Der Tonfall des Architekten war jetzt viel freundlicher, offener. »Natürlich, das ist der Christoph! Was ist denn mit ihm, Herr Kluftinger?«
    Sieh mal an! Ist ihm der Name also doch noch eingefallen. Auf einmal war Kluftinger nicht mehr der »Herr Polizist«.
    »Verletzt ist er, Herr Architekt. Halb totgeschlagen.«
    »Ist das nicht schrecklich, Tassilo?«, fragte Käthe Wagner mit sorgenvoller Miene.
    »Ja, schlimm, schlimm. Ich sah ihn schon sehr lange nicht mehr, deswegen erkannte ich ihn nicht gleich.«
    »Aber wir haben ihn doch erst neulich getroffen, als wir beim Hans waren«, protestierte dessen Frau.
    Kluftinger lehnte sich genüsslich zurück. Das lief ja wie von selbst hier.
    Herr Wagner begann zu stottern. »Ach wissen Sie, ich … ich sehe so viele Leute, also beruflich, ich … habe ein schlechtes Personengedächtnis.« Dabei blickte er seine Frau streng an, die bestätigend nickte.
    Kluftinger musterte ihn eine Weile, dann fuhr er unvermittelt fort:
    »So, und nun zu einem weiteren Grund für unseren Besuch: Sie haben das Musicaltheater in Füssen gebaut, stimmt das?«
    Friedel Marx hielt sich aus dem Gespräch heraus und nippte an ihrem Tee. Wagner kehrte zu seinem sachlichen und distanziert klingenden Ton zurück: »Ich konzipierte es und führte die Bauaufsicht, richtig.«
    »Sie waren auch für die … Inneneinrichtung zuständig?«
    »In der Tat.«
    »Auch für den Brunnen?«
    Wagners Augen verengten sich für den Bruchteil einer Sekunde.
    »Ja, auch für den Brunnen.«
    »Mir ist da etwas aufgefallen.«
    Marx sah ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen von der Seite her an. Sie hatte keine Ahnung, worauf er hinaus wollte. Schließlich hatten sie heute noch keine

Weitere Kostenlose Bücher