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Seegrund

Seegrund

Titel: Seegrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kobr Michael Kluepfel Volker
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die leibliche Mutter kurz nach der Geburt bei einem Reitunfall ums Leben gekommen war, begehrlich anschaute. Dieser Sohn wurde übrigens immer vom selben Schauspieler gespielt und war eigentlich auch immer der Mörder, weil ihn seine Stiefmutter dazu angestiftet hatte, in die er heimlich verliebt war. Das erkannten die Kommissare daran, dass der Sohn sie unfreundlich behandelte und ihnen unwirsch zu verstehen gab, sie sollten doch endlich seine Familie, also seine Mutter, in Ruhe lassen. Wenn sie ihn dann am Schluss mitnahmen, freuten sie sich eigentlich nie richtig darüber, dass sie endlich Feierabend hatten, dachte Kluftinger und wunderte sich darüber, dass ihm das alles gerade jetzt einfiel, wo er doch eigentlich über Wichtigeres nachzudenken hatte.
    Sie standen vor dem Elternhaus des Opfers, von dessen Vater Friedel Marx den Kollegen gerade berichtet hatte, dass er ein honoriges Mitglied der Füssener Gesellschaft sei. Er habe sich in den Fünfziger- und Sechzigerjahren mit einem eigenen Bankgeschäft in Füssen, das Filialen in Memmingen, Kaufbeuren und Kempten hatte, einen Namen gemacht. Als sein kleines Unternehmen nicht mehr rentabel gewesen war, verpflichtete ihn die Ostallgäuer Sparkasse kurz darauf als Vorstandsvorsitzenden.
    Als sie an der Tür des Hauses, das im Grunde mehr ein Anwesen war, geklingelt hatten und eine Frau öffnete, war er fast ein bisschen enttäuscht, dass sie keinen Angorapulli trug.
    »Sie wünschen?«, fragte die etwa Fünfzigjährige, die sich als die Haushälterin vorstellte.
    »Wir möchten zu Herrn Röck.«
    »Sind Sie angemeldet?«
    »Ich denke schon«, sagte Kluftinger und hielt ihr seinen Ausweis unter die Nase.
    »Natürlich, ja dann … einen Moment«, antwortete sie etwas weniger kühl, bat sie herein und huschte ins Wohnzimmer. Wenige Sekunden später öffnete sich die Tür und die Haushälterin forderte sie mit einem »Bitteschön!« auf, hineinzugehen.
    Als sie das Zimmer betraten, dachte Kluftinger sofort, dass dies ein wesentlich angenehmerer Platz zum Leben sein musste, als die kalte Fabrikhalle, in der sie sich noch vor einer Stunde befunden hatten. Alles war gediegen eingerichtet, dicke Teppiche und ehrwürdige Gründerzeitmöbel aus Nussbaumholz sorgten für eine warme Atmosphäre. Ihnen gegenüber an der Terrassenschiebetür saß ein Mann, den Kluftinger auf Ende siebzig schätzte. Erst als sie auf ihn zugingen, erkannte Kluftinger, dass er in einem Rollstuhl saß. Er war in einen brokatenen Hausmantel gehüllt, der nun wieder ein bisschen an Derrick erinnerte, auch wenn das seidene Halstuch dazu fehlte. Um seine Beine hatte er eine beige Decke geschlagen und in seinen Händen hielt er eine Tasse dampfenden Kaffees. Leider bot er den Beamten keinen an. Kluftinger hätte jetzt einen vertragen können.
    Die Besucher stellten sich vor und setzten sich einfach hin, da sie der Alte nicht von sich aus dazu aufgefordert hatte. Eine Weile blieb es still. Es schien Kluftinger, als taxierten sich die beiden Parteien gegenseitig. Dann ergriff er das Wort.
    »Wir kommen wegen Ihres Sohnes«, sagte er und machte eine Pause. Als keine Reaktion erfolgte, fuhr er fort »Er liegt im Krankenhaus.«
    Auch auf diese Nachricht hin blieb das Gesicht des alten Mannes abweisend und kühl. Selbst als Kluftinger ihm das Foto reichte, das den jungen Mann auf der Bahre zeigte, blieb eine erkennbare Gefühlsregung aus.
    »Ja Herrschaft, wollen Sie nicht wenigstens wissen, was er hat?«, platzte es aus Friedel Marx heraus.
    »Ich nehme an, dass Sie es mir sagen werden, sonst wären Sie ja wohl kaum gekommen.«
    Die Beamten blickten sich geschockt an. Mit einer solchen Reaktion hatten sie nun wirklich nicht gerechnet.
    »Ich bin alt, wissen Sie, ich habe schon viel Schlimmes gesehen«, erklärte Röck. »Ich war im Krieg, da wird man hart und bleibt es für den Rest des Lebens.«
    Da war er wieder, der Krieg. Plötzlich schien dieses Thema allgegenwärtig zu sein.
    »Unsere Nachricht scheint Sie nicht sonderlich überrascht zu haben«, schaltete sich Marx noch einmal ins Gespräch ein.
    »Überrascht? Nun ja, es ist nicht so, dass ich täglich mit meinem Sohn Kontakt habe. Und er ist jung, liebt das Risiko, da muss man mit Unfällen rechnen.«
    »Wer hat etwas von einem Unfall gesagt?«
    »War es denn keiner?«
    Kluftinger ging gar nicht auf die Frage ein. »Wussten Sie, dass Ihr Sohn taucht?«
    »Natürlich.«
    »Wussten Sie, dass er an gefährlichen Stellen taucht?«
    »Wie gesagt: Mein

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