Seehaie
Hohmanns
sämtliche Konkurrenten unter die Lupe nehmen zu müssen – und zwar ohne dass
einer Wind davon bekam oder gar ein eventueller Täter Gelegenheit hatte,
abzutauchen.
»Mir ist nicht wohl bei der Sache. Egal wie wir es
anfangen, überall lauern Fallgruben«, gab Jo zu bedenken. »Wenn einer von
Hohmanns Konkurrenten spitzkriegt, dass wir in einer Mordsache ermitteln, ist
der Teufel los. Und wenn wir zu vorsichtig agieren oder, noch schlimmer,
vielleicht sogar zu weit vorpreschen, macht uns Kriminalrat Patzlaff zur
Schnecke.«
Wolf schenkte sich einen Kaffee ein. »Zunächst
brauchen wir Namen. Die Namen aller Mitbewerber, die, sagen wir im letzten
halben Jahr, Ausschreibungen oder Aufträge an Hohmann verloren haben. Erst dann
können wir an Ermittlungen denken«, brachte er die Sache auf den Punkt. Er nahm
einen Schluck aus seiner Tasse und sah Kalfass an.
Der blieb auffallend stumm. Erst als Wolf ihn mit der
Frage provozierte, ob er noch zu ihrem Dezernat gehöre, gab er trotzig Antwort:
»Ich verstehe nicht, warum Sie Hohmann ständig mit Glacéhandschuhen anfassen.
Ich halte seine Sprüche von der Konkurrenz für puren Selbstschutz.«
»Gut! Wie könnte Hohmann deiner Meinung nach in dieser
Sache drinhängen? Als Mörder? Als Auftraggeber? Und welches Motiv hätte er,
seine beiden Mitarbeiter umbringen zu lassen?«, fragte Wolf ruhig.
»Vielleicht wurden sie ihm aus irgendeinem Grunde
lästig, oder sie haben seine Baustellen beklaut oder der Konkurrenz
Betriebsgeheimnisse gesteckt, was weiß ich. Besorgen wir uns einen
Durchsuchungsbeschluss und filzen seinen Betrieb so lange, bis wir fündig
werden.«
»Die Brechstange sollte unser letztes Mittel sein. Ich
werde dir sagen, was wir machen: Du, Ludger, versuchst herauszufinden, an
welchen Baustellen Hohmann gerade arbeitet. Beschränke dich zunächst auf
Projekte öffentlicher Auftraggeber, also Kommunen, Landkreise, regionale
Institutionen und so weiter. Quetsche auf den Bauämtern die zuständigen Dezernenten
aus. Wir müssen wissen, welche Ausschreibungen die Hohbau G mb H in den vergangenen
sechs Monaten gewonnen hat und welche seiner Mitbewerber rausgeflogen sind. Ich
selbst knöpfe mir Hohmann vor. Wollen mal sehen, ob wir nicht aus zwei
Richtungen auf dieselben Namen stoßen.« Er machte Anstalten, in sein Büro zu
gehen.
»Haben Sie nicht etwas vergessen, Chef?«, rief Jo ihm
nach.
»Was?«
»Mich! Soll ich etwa hier unsere Blumen gießen und
heißen Kaffee bereithalten, bis Sie wieder eintrudeln?«
Wolf grinste. »Im Gegenteil! Du übernimmst sogar den
heikelsten Teil der Aufgabe.« Er nippte wieder an seinem Kaffee und wurde
ernst. »Du fährst nach Konstanz und siehst dir dieses neue Touristencenter an,
das Hohmann dort baut …«
»Das Corso.«
»Richtig. Rede mit dem Bauleiter, mit Arbeitern,
Lieferanten, Handwerkern. Versuch herauszukriegen, wie die Auftragsvergabe
ablief und wer das Ding gegen die Hohbau verloren hat. So, nun macht euch vom
Acker. Wir treffen uns hier am Spätnachmittag wieder. Und dann will ich Namen
hören …«
***
Gespannt
sah Karin Winter auf die DIN - A 4-großen Farbausdrucke, die
Charles de Boer vor ihr auf dem Schreibtisch ausbreitete.
Die Serie startete mit der Außenfront des »Baur au
Lac« und führte den Betrachter an der Rezeption vorbei quer durchs Foyer zu ihrem
Tisch vor der großzügigen Fensterfront. Auf jedem Bild waren rechts unten Datum
und Uhrzeit einbelichtet.
Weitere Motive zeigten Hohmann und seinen
Gesprächspartner in unterschiedlichen Ausschnitten von der Totalen bis zur
Großaufnahme.
»Wenn das kein Knüller ist!«, murmelte Karin Winter
und schob mehrere Ausdrucke beiseite, auf denen Blätter mit Material- und
Mengenangaben und endlose Preiskolonnen zu sehen waren. »Das stinkt geradezu
nach Bestechung und verbotenen Preisabsprachen.«
Sie beugte sich über die letzten Bilder, die zunächst
nur aus einem Gewirr unterschiedlicher Linien zu bestehen schienen. Bei
genauerer Betrachtung schälten sich jedoch Konturen und Details heraus, die
sich als Teil eines Baukörpers entpuppten.
»Gute Arbeit, Charles. Genau, was ich erhofft hatte.
Damit dürften wir Hohmann im Sack haben. Ich bin sicher, dass es sich hier um
den konspirativen Treff eines Baubeauftragten der öffentlichen Hand mit einem
ausführenden Bauunternehmer handelt. Wenn wir nur wüssten, um welches Projekt
es sich handelt. Leider sind auf allen Bildern nur Teilansichten zu erkennen.«
»Darüber hab ich mir
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