Seehaie
gerade noch
wahr, wie de Boers Opfer sich wieder aufrappelte.
Natürlich war von Hohmann und seinem Gesprächspartner
nichts mehr zu sehen. Also machten sie sich auf den Weg zu ihrem Wagen. Auch
wenn das Treffen etwas anders verlaufen war als erwartet, ein Erfolg war es in
jedem Fall. Zufrieden stiegen sie in die etwas spärlich beleuchtete zweite
Ebene der Tiefgarage hinab, in der sie geparkt hatten.
Karin kramte den Schlüssel aus ihrer Tasche – und
erstarrte. Ohne auch nur das leiseste Geräusch zu verursachen, war jemand von
hinten an sie herangetreten, hatte ihr den Arm um den Hals gelegt und die Luft
abgeschnürt. Flüsternd drohte eine heisere Männerstimme: »Ganz still bleiben,
Kleine, dann passiert dir nichts!«
Vor Angst wie gelähmt war sie dem stählernen Griff des
Angreifers hilflos ausgeliefert. Nur am Rande bekam sie mit, wie de Boer zu
Boden ging und ihm ein zweiter Mann den Kamerakoffer entriss. Ein Golf preschte
heran, die beiden Männer sprangen hinein, und schon brauste der Wagen mit
quietschenden Reifen in Richtung Ausfahrt.
Benommen rieb sich Karin den Hals. Dann half sie de
Boer hoch. Der hatte eine recht üble Schmarre am Kopf.
»Hinterhältiges Pack! Hast du wenigstens die
Autonummer?«, fragte sie den Fotografen.
»Wie denn? Er fuhr ja ohne Licht!«
»Also war der ganze Aufwand für die Katz! Scheiße,
Scheiße, Scheiße …«
»Reg dich nicht auf. Der Koffer ist ersetzbar.«
»Ich rede nicht von dem Koffer. Die Aufnahmen sind futsch!«
»Wer sagt das? Schau mal hier …« De Boer zwang sich zu
einem gequälten Grinsen und hielt einen kleinen Gegenstand hoch.
»Was ist das?«
»Na was wohl … die Datenkarte aus der Kamera! Sollen
sich die Gangster ruhig an dem Koffer verlustieren … wir haben, was wir
wollten.«
Es dauerte ein paar Sekunden, bis Karin verstand. Mit
einem erlösten Aufschrei fiel sie de Boer um den Hals und küsste ihn auf den
Mund.
»Aua«, rief de Boer verdattert und rieb sich die
schmerzende Platzwunde am Kopf. »Wie darf ich das jetzt
verstehen?«
»Ach, Charles! Ich liebe dich!« Kichernd klopfte sie
de Boer auf die Schulter und stieg in ihren Wagen.
***
Hohmann
hatte in Winterthur den Cayenne aufgetankt und passierte eben die
Autobahnverzweigung Winterthur-Ost, als sein Handy klingelte. Das musste sein
Fahrer sein, nur er kannte diese Nummer. »Paul! Wo steckst du?«
»Noch in Zürich, Chef. Bin dem Fotografen und seiner
Mieze gefolgt.«
Auf Paul konnte man sich eben verlassen, dachte
Hohmann anerkennend. »Hast du dem Kerl die Kamera abgenommen?«, fragte er
hoffnungsvoll.
»War nicht möglich. Das haben vor mir andere besorgt.«
»Was soll das heißen?«
»Na ja, die beiden gingen zu ihrem Wagen in der
Tiefgarage. Ich ihnen nach, um eine günstige Gelegenheit abzupassen. Plötzlich
wurden die beiden von zwei Männern überfallen. Sie entrissen dem Fotografen den
Kamerakoffer und flüchteten in einem bereitstehenden Wagen.«
»Drei Mann also«, sagte Hohmann nachdenklich. »Hast du
einen von ihnen erkannt?«
»Tut mir leid, Chef, hab die Kerle noch nie gesehen.
Und die Autonummer konnte ich auch nicht lesen, der Wagen fuhr ohne Licht.«
»Das ist ganz große Kacke ist das! Die Bilder in den
falschen Händen, und wir haben keinen Schimmer, wer dahintersteckt. Wenn man
die Pläne darauf erkennen kann, sind wir geliefert!«
Ohne eine Antwort abzuwarten, knallte er das Telefon
auf die Halterung.
***
Während
Karin vehement darauf hinarbeitete, Hohmann die Maske des redlichen
Bauunternehmers vom Gesicht zu reißen, verfolgte Wolf ein anderes Ziel. Nach
seiner Einschätzung kam Hohmann für die Morde nicht in Frage, im Gegenteil: So
wie es aussah, war er sogar der Hauptgeschädigte.
In welche Richtung sollten sie also weiterermitteln?
In Ermangelung aussichtsreicherer Alternativen hatte
sich Wolf Hohmanns Hypothese angeschlossen, wonach der oder die Täter unter
dessen Mitbewerbern zu suchen waren. Das Motiv lag auf der Hand: Die aggressive
Preispolitik der Hohbau G mb H , die die meisten großen Projekte der Region gewann,
insbesondere fast alle namhaften Neubauten der öffentlichen Hand. Für manche
Anbieter war das nicht nur frustrierend, sondern schlichtweg
existenzgefährdend, insbesondere vor dem Hintergrund der am Bau herrschenden
Flaute. War es da nicht nur wahrscheinlich, dass einer der Bauunternehmer
durchknallte und sich zu einem verzweifelten Gewaltakt hinreißen ließ?
Vor ihnen lag also die heikle Aufgabe,
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