Seehaie
Rande?«
»Erlasse mir eine Antwort. Nur so viel: Der Mann ist
so überflüssig wie ein Keuchhusten. Selten hab ich so viel Inkompetenz auf
einem Haufen gesehen. Wenn ich nur wüsste, wer ihn protegiert – und warum!«
»Da muss ich passen, Leo. Regierungspräsidium und LKA sind – vorsichtig gesagt – unüberschaubare
Behörden, da gibt es viele Netzwerke. Aber ich bleibe am Ball, ich verspreche
es dir …«
Der Kellner brachte ihr Essen, und Sommer bestellte
sich noch einen 2003er Meersburger Bengel, einen exzellenten Spätburgunder, wie
er nur hier am See wuchs. Wolf blieb bei Apfelschorle, er musste ja
anschließend noch mit dem Fahrrad den Berg hinunter und nach Nussdorf hinaus.
Gerne hätte er das Gespräch während des Essens fortgesetzt, doch für Sommer
schien das Thema beendet. So kam es, dass sie sich binnen kurzer Zeit in
Erinnerungen »aus der guten alten Zeit« der Überlinger Kripo verloren.
9
Karin Winter hatte ihr Vorgehen gründlich
überlegt. Sie konnte mit absoluter Sicherheit davon ausgehen, dass Hohmann
seinen Gesprächspartner, diesen Konstanzer Baudezernenten, um vierzehn Uhr im
Hotel »Baur au Lac« traf, und zwar im Restaurant »Le Pavillon«. Alles andere
war Spekulation. Nichts zu spekulieren gab es hingegen über das Ziel ihrer
Beschattung: Sie wollte Hohmanns Gesprächspartner mit eigenen Augen sehen,
wollte wissen, ob es sich dabei um Siebeck handelte, der nach ihren Recherchen
in Konstanz diese Position innehatte. Und sie wollte möglichst viel über den
Gesprächsinhalt erfahren. Vor allen Dingen aber brauchte sie Bilder. Denn eines
wusste sie aus Erfahrung: Beweisfähige Fotos von den feinen Herren, im
teuersten Nobelhotel Zürichs an einem Tisch kungelnd – das war wirkungsvoller
als Dynamit!
Matuschek hatte ihr, wie gewünscht, Charles de Boer
zur Seite gestellt, einen blonden, unauffällig wirkenden Holländer mit
ausgeprägter Stirnglatze. Der Pressefotograf des »Seekurier« hatte ein
besonderes Faible für Undercoveraufnahmen, für die er einen kleinen Aktenkoffer
mit einer hochauflösenden Digitalkamera präpariert hatte. De Boer war kein Mann
vieler Worte, doch wenn es drauf ankam, konnte man sich hundertprozentig auf
ihn verlassen – auch und gerade in brenzligen Situationen. Niemand wusste das besser
als Karin, schließlich hatte er sie erst unlängst mit seinen Taekwondo-Künsten
aus den Händen einiger radikaler Islamisten befreit, die ihr nach einem
Interview ans Leder wollten.
Sie
waren gut in der Zeit. Vom nahen Münster schlug es eins, als sie über die
Quaibrücke fuhren, die den Zürichsee von der Limmat trennt. Und dann tauchte
auch schon das »Baur au Lac« auf. Das Nobelhotel lag unweit des Sees in einem
kleinen Park zwischen dem mit bunten Booten belegten Schanzengraben und der
Talstraße, nur wenige Schritte von der bekannten Bahnhofstraße entfernt. Sie
ließen das Hotel rechts liegen und fuhren ein Stück den General-Guisan-Quai
hinunter, um ihren Wagen in einer Tiefgarage abzustellen. Anschließend
schlenderten sie wie zwei Touristen gemächlich durch die Uferanlagen zurück,
bis linker Hand wieder das Hotel in ihr Blickfeld geriet. An der nächsten Ampel
überquerten sie die Straße und gingen schließlich im Schatten einiger
Oleanderbüsche in Stellung. Hier, etwas verdeckt und doch in Sichtweite zum Eingang,
wollten sie Hohmanns Ankunft abwarten.
Ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Nicht
nur, dass die Zeit stillzustehen schien. Zu allem Überfluss herrschte rund um
den Hoteleingang und die Zufahrt emsiges Treiben, sodass Karin schon befürchtete,
ihn schlicht übersehen zu haben.
Von einem nahen Turm schlug es zwei Uhr. Doch noch
immer wollte sich Hohmann nicht zeigen. Zwei Uhr fünf. Zwei Uhr zehn. Viertel
nach zwei. Charles de Boer war eben drauf und dran zu kapitulieren, als Karin
leise durch die Zähne pfiff. »Na endlich. Wurde aber auch Zeit.«
»Wo?«
»Dort, der schwarze Porsche Cayenne.«
Zwei Männer stiegen aus. Der Fahrer ging um den Wagen
herum und übergab Karlheinz Hohmann eine Tasche.
»Ist es der mit dem ausgeprägten Doppelkinn?«
»Der nämliche.«
»Sieh an, der Herr läßt sich chauffieren … Kennt er
dich?«
»Nein. Ich kenne ihn , darauf kommt’s an.«
Der Wagen fuhr wieder weg, und Hohmann verschwand
durch die große Drehtür.
»Wir warten noch fünf Minuten«, bestimmte Karin. Dann
betraten sie das Restaurant, wo sie mit einem etwas blasiert klingenden
»Grüezi« von einem ältlichen Ober in
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